Muttersohn
ist, immer wieder zurückgekommen. Weil er so gut verdient hat. Als Installateur, als Maler, als Elektriker, als Fliesenleger, als Gärtner. Aber ohne den Professor hätte er es nicht ausgehalten. Der Professor habe von Anfang an italienisch geredet mit ihm. Und italienisch stottere er fast gar nicht. Und griechisch auch nicht. Sie könnten Kirki fragen. Das war, was Massimo sagte. Aber weil die Mühsal seines Sprechens so quälend war, hätte man lieber auf alles, was er sagte, verzichtet. Aber er wollte offenbar nicht mit anderen stundenlang eng im Auto sitzen, und die wissen überhaupt nicht, wer er ist. Und immer wieder musste er über sein Nichtsprechenkönnen sprechen. Und rauchen. Eine Zigarette nach der anderen.
Percy dachte natürlich an Ewald. Und an Elsa. Er nahm sich vor, mit Massimo nach Amtzell zu fahren. Er hatte Elsa schon geschrieben. Zu Ewalds Tod. Bis jetzt keine Antwort. Er würde trotzdem hinfahren. Massimo musste ihn hinfahren. Er hatte in seinem Brief angedeutet, dass er Elsa etwas zu übergeben habe, hatte aber nicht gesagt, was es sei.
Wichtiger war jetzt der Umzug.
Percy hatte es durch Dr. Häuptle erreicht, den Professor einmal im K VII besuchen zu dürfen. Eine Stunde dürfe Percy bleiben, hatte Dr. Häuptle gesagt. Und sagte noch dazu, das nehme er sowieso auf seine Kappe.
Dr. Häuptle schloss auf, Percy trat ein, Dr. Häuptle schloss wieder zu.
Der Professor saß an dem kleinen Tisch, stand auf und setzte sich wieder, ohne Percy die Hand gegeben zu haben. Er deutete auf den zweiten Stuhl. Percy setzte sich. Sie saßen dann so, dass der Professor an Percy vorbeischaute. Dann sprach er auch an Percy vorbei. Percy spürte, das war nicht mehr der Professor. Obwohl er bei diesem Menschen gelernt hatte, zu allen Du zu sagen, würde er zu dem, der da saß und ins Zimmer starrte, nicht Du sagen können. Früher wäre das ein Schweigen gewesen, das sie beide zusammen und gleichermaßen und gleichgestimmt erlebt hätten. Das Scherblinger Schweigen. Davon war nichts übrig.
Percy wusste, dass er hier sitzen würde, und wenn der Professor nichts sagen würde, würde er nach einer Stunde gehen, ohne dass ein Wort gesprochen worden wäre.
Aber dann sagte der Professor etwas. Percy könne, wenn er wolle, mitkommen. In die Schweiz. Am Samstag. Auf die Insel Rheinau. Sein Schweizer Freund habe ihm dort ein Quartier beschafft. Percy und Innozenz könnten, wenn sie wollten, mitkommen. Mehr sagte er nicht. Er schaute Percy auch jetzt nicht an. Aber Percy erlebte ihn jetzt doch anders als vorher. Das Angebot, mit ihm in die Schweiz zu kommen, durchfuhr Percy wie ein Stromstoß. Ein wunderbarer Schmerz. Ein gleißender Lichtstrahl in einer vollkommenen Lichtlosigkeit. Er konnte nichts sagen. Aber die Zeit, bis Dr. Häuptle wiederkam, aufschloss und wortlos an der Tür stehen blieb, war eine andere Zeit als die vor des Professors zwei, drei Sätzen. Percy stand auf, blieb einen Augenblick stehen, sah den Professor an, der drehte den Kopf ein wenig in Percys Richtung, aber gleich wieder weg von ihm.
Percy ging mit Dr. Häuptle. Dass Dr. Häuptle kein Wort mehr sagte und sich am Springbrunnen stumm verabschiedete, war für Percy ein Hinauswurf. Wahrscheinlich musste er froh sein, wenn er nicht noch für Ewald Kainz’ Selbstmord verantwortlich gemacht wurde. Ein Patient auf der Forensischen bringt sich um. Das ist ein Skandal. Percy hatte gefürchtet, der Professor werde davon anfangen. Wenn ihn jemand mit dieser Katastrophe belasten konnte, dann war es der Professor. Und wenn der nicht wegen seiner Monstranz-Entführung in die
Burg
gesperrt worden wäre, hätte er vielleicht davon angefangen. Dass er aber schon in drei Tagen die
Burg
, Scherblingen, das Land verlassen durfte, kam Percy jetzt vor wie ein Wunder. Ein Wunder, das zu seinem Professor passte.
Percy und Innozenz standen am Umzugstag morgens um fünf vor K VII . Der Professor kam, von Dr. Häuptle und dem Pfleger Alfons begleitet. Dann ging’s noch zu den Pferden hinaus und zu den Geißen. Der Professor rief die drei Pferde, die er mitnehmen wollte, bei ihren mongolischen Namen. Zog ihnen Wollsocken an, die Kirki gestrickt hatte, dass sie einander beim Transport nicht durch lautes Trampeln erschreckten. Der Professor führte alle drei in den Spezialtransporter. Fahren würde den Luigi, Massimos Freund. Die Geißen würden Massimo und Luigi eine Woche später holen.
Massimo und Luigi hatten mit Kirkis Hilfe schon am Abend davor
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