Muttersohn
Dann wäre ich eine Lichtbahn. Eine heiße Lichtbahn.
Das verdanke ich euch. Ihr seid in diesem Augenblick die Daseinsdeutlichkeit, die auch Gott heißt. Wer dich aus deinem Mangel erlöst, darf Gott heißen. Wer Gott nicht selber erlebt hat, kann mir nichts von ihm erzählen. Der heilige Niklaus von Flüe hat das so gesagt: Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir. Swedenborg, Emanuel, der große Große aus dem Norden, sagt das genau so: Allmächtiger Gott, ich bitte dich um die Gnade, dein sein zu dürfen und nicht mein.
Und schon stand Pfarrer Studer neben ihm, gab den Ton an und den Einsatz und stimmte selber an: Meerstern, ich dich grüße – oh, Maria, hilf! Alle sangen sofort mit. Und zwar alle drei Strophen.
Percy blieb neben dem Pfarrherrn stehen und sang mit. Nach dem letzten Ton verneigte er sich kurz und ging durch den Mittelgang hinaus.
Die Leute klatschten. Das konnte ihm nicht recht sein. Die alles planierende Routine. Er hätte sich nicht verneigen dürfen! Es gelang ihm, in sein Zimmer zu kommen, ohne noch mit jemandem sprechen zu müssen. Dann klopfte es. Es war Fred. Er wollte gratulieren. Percy brüllte ihn an: Schluss, Schluss, Schluss!
Fred kam ganz nah zu ihm, legte ihm die Hände auf die Schultern, zog ihn zu sich hin, hielt ihn fest und sagte leise: Percy, Percy, Percy.
Weil Percy sich das gefallen ließ, sagte er dann: Komm in die Stube, Fräulein Hedwig hat ein Vesper gerichtet. Percy ging mit. In der Stube waren nur Fräulein Hedwig und der Pfarrherr. Sie aßen, tranken, redeten über die Leute. Jeder wusste irgendetwas über irgendjemanden im Publikum. Der Pfarrherr sagte, besonders gefreut habe ihn, dass aus Scherblingen auch der Pfarrer Weimer da gewesen sei.
Nach dem Vesper sagte Fred: Herr Pfarrer, vielleicht können Sie Percy vermitteln, dass das eine Kriegserklärung war. Percy sagte leichthin: Du bedienst die Dauer, ich den Augenblick.
Dann diskutierten der Pfarrer und Fred darüber, ob, was Percy gesagt habe, eine Kriegserklärung gewesen sei. Percy nahm eine Hand von Fräulein Hedwig. Er brauchte jetzt Hedwigs Hand. Ihm fiel Katzes Satz ein: Pass auf auf den Hochlenker.
18.
Briefe.
Mutter Fini schrieb: Lieber Anton Parcival,
endlich die sicherste Kunde, überhaupt. Wir stammen also doch aus dem Badischen. Gottfried Werdenfels und Heinrich Schlugen sind von Kaiser Friedrich III . als kaiserliche Räte nach München geschickt worden, um die Vermählung des Herzogs Albrecht von Baiern mit Kunegund, der Tochter des Kaisers, zu verhindern. Sie kamen aber zu spät. Die Hochzeit war schon vorbei. Dann, zurück beim Kaiser, gelang es Heinrich Schlugen, den zornigen Kaiser zu überzeugen, dass der Werdenfels schuld sei, sowohl am Zuspätkommen wie auch an der Hochzeit selbst. Über den Werdenfelser wurde die Acht und Abacht verhängt, Heinrich Schlugen sollte der Vollstrecker sein. Nach erfolgreicher Vollstreckung wurde Heinrich vom Kaiser in den Grafenstand erhoben.
Deine Mutter ist glücklich, Dir dies melden zu können. Damit sind wir Grafen, lieber Anton Parcival, und zwar seit 1488. Dass die Geschichtsbücher korrigiert werden, wird Deine Mutter schon besorgen.
Deine vor Glück überströmende Mutter Fini.
Innozenz schrieb: Lieber Percy,
wir sind wieder komplett. Glückliche Fügung: Luzia Meyer-Horch hat’s nicht geschafft im technisch anspruchsvollen Einzelhandel. Ihr Friedlein Vogel hat die Kundschaft nicht bedient, sondern beleidigt. Kurzum: Sie ist unsere Sekretärin. Die Akademie hat es sofort als Energieschub erlebt. Sandra war zu zart fürs Management. Jetzt fehlst nur noch Du. Von mir darf ich sagen, dass Oblomov XI bereits der Mythos wird, zu dem ich ihn von Anfang an machen wollte. Ich musste schon Friedlein Vogel einstellen, mitzulesen, da ich alles, was mir zum Verschreddern geschickt wird, nicht mehr allein schaffe. Und es darf nicht eine einzige Zeile ungelesen verschreddert werden. Das ist klar. Aber Friedlein Vogel hat endlich eine Tätigkeit gefunden, die ihn ganz und gar erfüllt. Ich kann ihm schon Stöße überlassen, er wird niemals ein Blatt ungelesen dem Schredder anvertrauen. Ich arbeite zur Zeit am Entwurf für einen Literaturpreis für das beste Stück der Schredder-Literatur. Mir schwebt eine prominente Jury vor. Fünfköpfig. Ihr werden aus allen eingesandten zwanzig Texte vorgelegt. Der Text, dem sie den Preis gönnen, wird bei einer Verleihungsfeier von einem Jurymitglied laudiert, der Autor
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