Muttersohn
bekommt 50 000 Euro, dann wird der Text vom Laudator Oblomov XI übergeben. Elsa Frommknecht lässt dazu a cappella singen. Die Jurymitglieder sind verpflichtet, über den preisgekrönten und oblomovisierten Text keinerlei Mitteilung zu machen. So wird ein exemplarisches Textschicksal aufgeführt. Davon bald mehr.
Also, Du ewig Reisender, komm bald! Wir sehnen uns ein bisschen nach Dir.
Dein Innozenz.
Sandra schrieb: Lieber Mensch,
ruhiger bin ich nicht geworden durch den Brief, den ich Dir geschrieben habe, obwohl ich weiß, dass ich Dir genau diesen Brief habe schreiben müssen. In mir herrscht ein Durcheinander. Du musst damit rechnen, dass ich Dir immer wieder einmal einen Brief schreibe. Du kannst Dich darauf verlassen, dass ich Dich nie mehr sehen werde. Aber Dir schreiben, in der Ferne ein Gefühl leben lassen, das hilft mir, Dich nicht mehr sehen zu dürfen. Ich merke, wie entsetzlich ich Dir schon unterworfen bin. Ich darf mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn ich geblieben wäre. Die übliche Tour bis zur Trennung. Briefe. Sind das nicht farbige Vögel, die von einem zum anderen fliegen und ihm etwas Schönes singen? Ich könnte Dir jeden Abend einen Brief schreiben. Das wird nicht passieren. Ich will mich jenseits der Verletzungsgrenze ansiedeln. Und hinüberwinken. Zu Dir. Und Dir sagen: Solange wir uns in Briefen begegnen, kann ich nicht genug kriegen von Dir. Solche Schwächeanfälle gibt’s. Sei Du stärker. Dann bin ich’s auch.
Die in der Ferne: Sandra.
Percy schrieb an alle drei den gleichen Brief, sagend, was alles passiert sei. An Sandra musste er noch mehr schreiben: Der Verlassene macht sich Gedanken. Und er weiß, dass Gedanken nichts sind. Was Du tust, ist richtig. Ich muss meine eigenen Gefühle fälschen, fälsche Du die Deinen. Ich bin gespannt, was das, was mit uns geschieht beziehungsweise nicht geschieht, aus mir macht. Aus uns macht. Das dürfen wir einander schon sagen beziehungsweise schreiben. Ich bin arg froh, dass Du mir geschrieben hast. Danke. Es grüßt:
Anton Parcival, genannt Percy.
PS : Ich gebe zu, dass ich, wenn ich Dir schreibe, gern Anton von Schlugen wäre. Schluss mit Percy, her mit Anton von Schlugen. Das heißt: Du adelst mich! Ein Wappentier hab ich auch schon: das Rothkehlchen. Wenn ich das Dir schreibe, fällt mir auf, was für eine grausame Sprache das ist: dass das Rothkehlchen ein Tier sein soll! Nichts ist es weniger! Es wäre also mein Wappenwesen.
19.
Den Jollynecks-Film schaute Percy nicht an. Auch den Film, acht Tage später, den Fred über Percy gedreht hatte, schaute er nicht an. Chrysostomus Studer verzichtete dann auch. Und Fräulein Hedwig sowieso. Fred meldete, wie die beiden Filme in der Öffentlichkeit aufgenommen worden seien. Er musste das schriftlich mitteilen, weil Percy behauptete, mit Fred nicht telefonieren zu können. Fred meldete Erfolg, Erfolg, Erfolg. Und belegte das mit Statistiken und Pressestimmen. Der Percy-Film war als eine notwendige Antwort auf den Jollynecks-Film gesehen worden. So, als habe das Fernsehen das so geplant. Zuerst die Provokation, dann die Beruhigung. Also alles gut, alles klar.
Percy konnte nicht mehr schlafen. Ihm wurde immer deutlicher, dass er viel mehr gesagt hatte, als er hatte sagen wollen. Sagen dürfen. Er hatte auf Katze reagiert. Wenn du überhaupt reagierst, bist du schon nicht mehr du selbst. Also: nicht mehr reagieren. Auf nichts mehr. Zwei Briefe schrieb er noch, bevor er sich auf den Weg Richtung Rheinau machte. An Fred und an Innozenz. Fred musste er gestehen, dass er die Filme nicht anschauen konnte und dass sie auch im Pfarrhaus Merklingen nicht angeschaut worden sind. Fred hatte geschrieben: Du hast Geld genommen dafür, dass Du Dich hast filmen lassen. Wenn Du mit dem, was Du gesagt hast, einverstanden sein könntest, wäre das Geld-Annehmen nicht verwerflich. So aber … Er musste Fred mitteilen, dass er sich keine weitere Mitwirkung vorstellen könne. Jetzt marschiert er nach Rheinau, macht vorher Station in Mühlheim an der jungen Donau, von dort aus am 23. Mutter Finis Lieblingswallfahrt: Maria Hilf auf dem Welschenberg. Dann ab nach Rheinau, wo er am 24. eintreffen wird. Und bittet Fred um Verständnis für alles. Für alles, Fred! Bitte!
Innozenz bittet er, dass Massimo ihn in der Wirtschaft Zum Schusterfranz abholen solle. Genau da, wo die Landstraße von Neuhausen auf die Bundesstraße trifft. Am 24., gegen Mittag. Er komme zu Fuß, wolle aber nicht in
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