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Muttersohn

Muttersohn

Titel: Muttersohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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gängige Auto ein Buch geschrieben habe. Inzwischen über fünfzig Bücher in einer Auflage von dreißig Millionen.
    Der Schriftsteller, rasch: Nur neunundzwanzig! Alle klatschten, ich auch. Habernuss verneigte sich belustigt. Es war deutlich, dass er sich über uns erhaben fühlte, uns das aber nicht merken lassen wollte.
    Wie alles gehen sollte, wussten wir aus der Broschüre, die jeder mit dem Nennungsformular bekommen hatte. Ich hatte alles so oft durchgelesen, bis ich glaubte, die Regeln auswendig zu können. Zu Elsa hatte ich gesagt, dass ich durch meine Teilnahme an dieser Verfolgungsfahrt auf mich als Motorrad-Lehrer aufmerksam machen wolle. Das war der einzige Grund, der mir eingefallen war. Ich selber brauchte keinen Grund. Ich las: Ballon-Verfolgungsfahrt, das genügte. Meinen Insiderbuben sagte ich nichts. Sie fänden es, fürchtete ich, piffig, bei so was Bürgerlichem mitzumachen. Die BMW -Vertretung gratulierte mir natürlich gleich zu meiner Idee. Sollte ich gewinnen, würde BMW etwas Großes daraus machen, weil doch diese Ballonverfolgungsflüge veranstaltet wurden zugunsten der internationalen Kinderdorf-Stiftung. Dass ich mich an so etwas Gutem beteiligte, hatte ich erst gemerkt, als der BMW -Mann mir dazu gratulierte.
    Los ging’s. OMO füllte sich, die Bundeswehrsoldaten, die zuerst als Haltemannschaft auf dem Ballonkorb gesessen hatten, waren abgesprungen. Der Ballon stieg erstaunlich schnell, die drei im Korb, der Kapitän, der Unparteiische und Frau Dr. Schall, konnten kaum noch winken, da waren sie schon in der Höhe und über den Dächern und fort. Erst als der Ballon eindeutig landeinwärts flog, durften die Verfolger starten. Zwar blitzblanker blauer Himmel, aber ein Wind von Südwest, der den Ballon, kaum dass er sich über die Dächer erhoben hatte, förmlich fortriss. Zum Glück nicht nach Österreich hinüber, sondern allgäuwärts. Mir passte das. Bis man sich über die Landtorbrücke und durch die Lindauer Vorstädte durchgedrängt hatte, war der Ballon hoch droben und weit voraus. Dann die Entscheidung, die wahrscheinlich alles entschied: Der Ballon flog jetzt so Richtung Nordosten, dass man versucht sein konnte, ihm einfach auf der Autobahn zu folgen. Ich gab mich ratlos, ließ mich überholen von denen, die, auf den Nordost-Kurs des Ballons vertrauend, auf die Autobahn einbogen. Ich bog nicht ein, weil ich dachte, wenn der Ballon auch nur ein wenig auf Nord-Nordwest geblasen würde, war man auf der Autobahn bis zur nächsten Ausfahrt, also zehn oder zwölf oder vielleicht sogar fünfzehn Kilometer weit, unfähig zu folgen. Ich war nicht der Einzige, der auf die Landstraße abbog. Der Ballon war jetzt nicht mehr vor uns, sondern rechts droben. Dann gleich die nächste, nicht mehr ganz so dramatische Entscheidung: eine Gabelung. Links Richtung Wangen, rechts Richtung München. Ich hielt mich links. Nach dieser Gabelung waren wir vielleicht noch zehn oder zwölf Verfolger, die sich so entschieden hatten. Der Ballon war immer noch rechts vor uns in der Höhe. Wenn das so weiterging, kämen wir auch noch durch Amtzell! Aber das doch nicht. Noch vor Wangen wurde der Ballon von einem Wind deutlich nach Nordwest getrieben. Das hieß, noch kleinere Straßen wählen. Das Tempo war ohnehin nicht das Problem. Mein Tacho sagte mir, dass der Ballon ziemlich konstant mit fünfzig Stundenkilometern dahinglitt. In Neuravensburg über die Argen, das passte. Die auf der Autobahn, wenn sie endlich nach Westen abbiegen konnten, würden die Argen erst bei Herfatz überqueren. Eine der Regeln hieß, der Ballon dürfe sich nie länger als zwanzig Minuten über oder in den Wolken der Erdsicht entziehen. Das war vorerst auch nicht zu befürchten.
    Ich hielt mich in der Gruppe, die auf die kleineren Straßen vertraute. Ich wollte mich überhaupt nicht hervortun und etwa die Autofahrer zum Wettrennen reizen. Dass da ziemlich sportliche Typen darunter waren, auch ziemlich flotte Automarken, hatte ich gesehen. In unserer Gruppe der Landrover, darin der Autor der fünfzig Bücher, zwei Cabrios und ein roter Japaner.
    War es besser, dem Ballon zu folgen, egal auf welchen Straßen und Wegen, oder fuhr man auf besseren Straßen in die Himmelsrichtung, in die der Ballon flog?
    Natürlich hätte man auf größeren Straßen dem Ballon vorausfahren und dann warten können, bis er nachkam – aber wenn sich die Windrichtung änderte, kam er vielleicht nicht dahin, wo man auf ihn wartete. Ich hielt mich hinter dem

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