Muttertier @N Rabenmutter
Abenteuer von ein paar süßen Dalmatinern würden wohl für niemanden zu aufregend sein – und wir konnten endlich in Ruhe über die alten Zeiten plaudern.
»Sach ma Kinder, is dat wirklisch zehn Jahr her, dat ihr eusch dat letzt Mal jesehen habt? Wenn man eusch beiden so zuhört, könnte man glatt meinen, dat ihr nie jetrennt ward«, fragte Lieschen nach.
»Ja, mir kommt es aber auch nicht so lange vor. Es ist wirklich schade, dass wir uns damals aus den Augen verloren hatten«, sagte ich.
»Stimmt, ich kann auch kaum glauben, dass wir schon seit zehn Jahren verheiratet sind, nicht Maxi?« Klasse! Jetzt hatte Alex den Stein ins Rollen gebracht. Hätte er nicht einfach den Mund halten können? Maxi antwortete nicht. Wahrscheinlich war es ihr genauso unangenehm wie mir, auf das Thema Hochzeit angesprochen zu werden. Stattdessen erzählte sie von ihrer Firma und dem immensen Stress, den sie gerade mit dem Wiedereinstieg in ihren alten Beruf hatte. Wenn man es sich genau überlegte, hatte Maxi im Grunde genommen die gleichen schlechten Erfahrungen gemacht wie ich, obwohl sie bis zu ihrer Elternzeit eigentlich einen sicheren Arbeitsplatz gehabt hatte. Meine Erkenntnis, dass wir Mütter uns nur dann beruflich entwickeln können, wenn wir selbst das Zepter in die Hand nehmen, traf also auch auf sie zu.
Lieschen und Alex gingen ins Haus, um eine weitere Runde Kaffee und Latte macchiato zuzubereiten. Ich war jetzt mit Maxi ganz allein im Garten. Von drinnen hörte man keinen Ton – die Kinder litten wohl immer noch mit den Hündchen – und plötzlich umgab uns eine seltsame Stille. Ein Gedanke zuckte mir durch den Kopf. Ich sollte die Gunst der Stunde nutzen. Alex hatte uns schließlich eine Steilvorlage geliefert, und wir sollten dieses Missverständnis nun ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
»Maxi, ich bin nicht zu spät gekommen«, begann ich zaghaft.
»Wie?« Maxi begriff nicht, worauf ich hinaus wollte.
»Ich hatte diese mehrstündige Fahrt von Münster an den Bodensee unternommen, um bei euch zu sein. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Ach so, die Hochzeit«, seufzte sie und fing an, auf ihrer Unterlippe zu kauen. Ich musste lächeln. Sie kaute immer auf der Unterlippe, wenn sie sich konzentrierte. Ich hatte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und auch das Gefühl, dass sie bereit war, darüber zu reden.
»Und weißt du was? Ich denke nicht gern an diese ganze Sache zurück. Mit der Einladung ging’s los. Kannst du dich noch an deine Antwort erinnern, als ich dich angerufen habe, um zuzusagen?«
»Ja, das kann ich allerdings: ›Die Einladung ist von Alex. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich dich nicht eingeladen‹«, antwortete Maxi ohne zu zögern.
»Ich habe dir nie erzählt, wie ich mich damals gefühlt habe. Richtig beschissen. Ich hab geheult, aber das hast du bestimmt nicht mitbekommen, oder?«
»Doch. Aber ich war wütend auf dich, weil du dich so lange nicht bei mir gemeldet hattest. Ich hatte das Gefühl, deine neuen Freunde waren dir wichtiger geworden als ich. Ich war einfach traurig. Sicher auch frustriert, weil es mit der Jobsuche nicht so lief wie geplant. Ich hatte halt eine super schwierige Zeit. Natürlich wollte ich, dass du bei meiner Hochzeit dabei bist. Du warst schließlich meine beste Freundin.«
»Genau, das bist du Maxi, ganz Zwilling, ein Tsunami. Erst riesige Wellen machen und dann so tun, als wäre nichts gewesen.«
»Ja. Und es tut mir leid. Weißt du, ich habe mich damals nicht entschuldigt, weil ich mich vollkommen im Recht gefühlt habe. Heute sehe ich vieles anders. Ich weiß auch nicht, was mich manchmal reitet, aber Tsunami trifft es ganz gut.«
»Ich habe oft an dich gedacht. Zuletzt noch, kurz bevor du mir über XING geschrieben hast. Beim Aufräumen ist mir euer Hochzeitsfoto in die Hände gefallen.«
»Warum hast du dich nicht gemeldet, Hanna?« Die Frage war berechtigt. Ich hatte sie mir auch häufig gestellt und bis heute keine befriedigende Antwort gefunden.
»Warum? Ich weiß nicht? Ich glaube aus Angst vor dem Tsunami.«
»Vielleicht tröstet es dich, dass ich nur mit Menschen streite, die mir sehr wichtig sind. Die diesen wahnsinnigen Energieaufwand auch wert sind. Neben dir hat es bislang nur Alex und die Jungs getroffen. Die Jungs leider regelmäßig. Erst neulich wieder. Ich steh in der Küche, guck aus dem Fenster und mich trifft der Schlag. Till spielt im Garten, nur im T-Shirt. Bei zehn Grad
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