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Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Titel: Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Windmann
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hatte, dort einen neuen Schnuller zu kaufen. ›Ich brauche den nicht für mich ‹, hat sie dem Mann vorgelogen, ›wissen Sie, der ist für meinen kleinen Bruder!‹ Stell dir das bitte mal vor, Laura. Dumm war nur, dass natürlich die ganze Straße wusste, dass sie gar keinen kleinen Bruder hatte!«
    Wenn ich es genau bedenke, ist es von dieser Anekdote bis hin zum Medikamentenkauf durch fingierte Anrufe beim Arzt kein weiter Schritt.
    Die Anekdoten meiner Großmutter lassen vieles heute in einem anderen Licht erscheinen. Meine Mutter ist nicht erst im Alter aufgrund ihrer Einsamkeit so störrisch und anstrengend geworden. Das wurde ihr offenbar in die Wiege gelegt, von wem auch immer.
    Wenn mich Muddi heute mal aufregt, rufe ich mir daher die Worte meiner Oma ins Gedächtnis, die sie mir zuraunte, während sie damals die gefüllte Paprika in den Backofen schob: »Wenn deine Mutter dir was sagt, Laura, dann denk dir immer: ›… ins eine Ohr rein – aus dem anderen wieder raus!‹« Und so kommen Muddi und ich dank der Weisheit meiner Großmutter auch heute ganz gut miteinander aus.



24
»Sie ist eine Sitzriesin!«
    A n den Ratschlag meiner Oma – »Ins eine Ohr rein – aus dem anderen wieder raus!« – muss ich häufig auch dann denken, wenn es um Muddis Leidenschaft für Boulevardjournalismus geht. Sonst würde ich mich vermutlich schon zu Tode gelangweilt haben.
    Heute sitze ich mit Muddi mal wieder vor der Mattscheibe. Es läuft irgendeine Talkshow, eine von den vielen, die Muddi jede Woche sieht. Sie kennt natürlich sämtliche Vor- und Nachnamen beider Talkmaster der Sendung, weiß, wann und wo sie sich von wem und weshalb haben scheiden lassen und mit wem sie aktuell liiert sind. Ihnen gegenüber sitzen zwei blonde Schwestern, beide offenbar sehr prominent, wenngleich mir ihre Namen nur vage von irgendwoher in Erinnerung sind. Als regelmäßige BUNTE -Leserin weiß Muddi natürlich auch etliche Details aus ihrem Leben. Sie kann sogar sagen, wo die beiden zur Schule gegangen sind und dass im Nachbarort ein anderer Prominenter wohnt.
    »… der wohnt ja gleich nebenan, Laura«, erklärt sie mir mit souveräner Stimme, begleitet von einer laxen Handbewegung.
    Was diese Geste bedeuten soll, verstehe ich nicht. Vermutlich will sie mir damit sagen: War ja klar, dass die dumpfbackigen Promis alle auf einem Haufen wohnen.
    Eigentlich mag ich gar nicht mehr hören, was Muddi alles über das Privatleben der sogenannten Prominenten weiß. Es interessiert mich nicht die Bohne, und im Grunde bin ich sogar leicht empört darüber, wie ausführlich meine Mutter sich mit dem Leben fremder Menschen beschäftigt. Aber ich denke mir: Das passiert wohl zwangsläufig, wenn man täglich zig Zeitschriften liest, die allesamt mit derart trivialen Informationen vollgestopft sind. Gleichzeitig frage ich mich: Wo ist eigentlich Muddis Interesse an schöner Literatur geblieben? Offensichtlich ist es von einem auf den anderen Tag verschwunden, mit Eintreten des Witwendaseins – mit der Trauer oder auch einfach mit verloren gegangener Lesegeduld. Früher jedenfalls lagen bei ihr noch Anna Karenina , Krieg und Frieden und Homo Faber auf dem Nachttisch, heute sind es nur noch Stern , Gala und Bild der Frau .
    Ich blicke also auf die Mattscheibe, wo die beiden blonden prominenten Damen in der Talkrunde sitzen. Muddi vergleicht auch hier sehr kritisch, was die Schwestern für ein Bild abgeben.
    »Die rechts ist wohl eine Sitzriesin«, sagt sie auf einmal.
    »Wie meinst du das, Muddi?«, frage ich erstaunt.
    »Also, die linke muss ja weitaus längere Beine haben als ihre Schwester. Wenn sie sitzt, sieht sie doch viel kleiner aus!«
    »Mhm.« Ich kann ihr nicht folgen.
    »Oder ihre Schwester hat einen längeren Oberkörper. Das kann natürlich auch sein.«
    Schön, dass Muddi diese Überlegungen während des Interviews anstellt und ich das, was die blonden Schwestern darin sagen, fast komplett verpasse. Es grollt in mir, doch ich schweige. Heute ist kein Tag für Streitereien, beschließe ich und gieße Muddi noch ein Glas Wein ein. Und siehe da … der Alkohol besänftigt meine Mutter auf eine so effektive Art und Weise, dass ich den Rest der Talkshow ohne eine nennenswerte Anzahl weiterer Kommentare sehen kann!
    Auch beim Lesen würde ich ihr daher gern mal ein Gläschen einschenken. Muddi interessiert sich momentan sehr für einen gerade bekannt gewordenen Mordfall in meiner Heimatstadt. Eines Tages sitzen meine Schwägerin Ute,

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