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Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Titel: Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Windmann
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sich alleine unterhält. Vielleicht würde er sogar sagen: »Laura, es tut mir aufrichtig leid, dass du das jetzt alles aushalten musst. Aber wehr dich! Lass sie zur Not einfach stehen, wenn sie dich zu sehr nervt!«
    Muddi wühlt bereits in den Grabrabatten herum, während ich noch so vor mich hin sinniere.
    »Gott, Lauraa!«, ruft sie auf einmal. »Nun guck dir doch mal die Gestecke an! Die sind nur noch braun! Dabei haben wir die doch frisch gekauft vor Weihnachten! Hab ich’s dir nicht gesagt? Die haben die bestimmt schon im Oktober hergestellt. Kein Wunder, dass die jetzt so aussehen!« Und schon wirft sie die beiden Gebinde auf den Rasen und schimpft: »Wieso haben die hier bloß jemals Birken gepflanzt? Es ist einfach un-glaub-lich! Diese kleinen Blätter! Wie soll man die nur wegharken?«
    »Ich weiß nicht, Muddi. Mach es doch einfach«, sage ich.
    Da sage ich schon mal was, und sie überhört mich glatt.
    »Laura«, weist sie mich stattdessen an, so als ob das Zusammenharken der Blätter ihre Idee gewesen wäre, »kannst du mal die Harke von nebenan holen? Die hängt in der Tanne. Nun mach mal.«
    Ich recke mich nach der Harke, die Muddi immer ganz weit oben an einen Ast der Tanne hängt, damit sie nicht so schnell gestohlen wird. Wie sie es damit verhindern will, ist mir nicht ganz klar. Sind die Harkendiebe auf diesem Friedhof allesamt kleiner als ein Meter fünfzig und kommen deshalb nicht an eine Harke in schwindelnder Höhe heran?
    Während Muddi harkt, redet sie vor sich hin.
    »Ich könnte mich totlachen«, sagt sie. »Unser toller Bürgermeister hat sich damals das Haus dahinten an der Friedhofsmauer gebaut. Der dachte sicherlich, dass hier nie jemand anderes bauen würde. Und jetzt? Guck es dir an: Alles voll, lauter Neubauten! Das gönn ich ihm.«
    Ich versuche mich auf das Gießen der gerade gepflanzten Blumen zu konzentrieren.
    »Und Margot nimmt jeden Sonntag ihre Balkonpflanzenabfälle mit hierher, damit sie nicht zur Schuttkuhle fahren muss«, erzählt Muddi unterdessen.
    Für einen Moment herrscht Schweigen, weil Muddi ihre Harke von Blättern befreit.
    »Dahinten, an dem Grab mit den vielen, vielen Blumen – da steht oft ein junger Mann und betet«, wechselt sie dann das Thema. »Ich hab ihn neulich mal angesprochen. Da liegen seine Großeltern. Er sagt, das waren die liebsten Menschen, die er hatte. Und er weint immer so sehr. Weil er sie so vermisst. Da hab ich ihn in den Arm genommen. Ist das nicht schön, wenn die Enkel so sehr an ihren Großeltern hängen?« Bei den letzten Worten ist ein leichtes Beben in ihrer Stimme zu vernehmen.
    »Ja, Muddi«, sage ich ergeben und sehe in Gedanken meinen Sohn vor mir, der zwar auch sehr an seiner Oma hängt, ihr aber leider wohl einmal zu oft von seinem Wunsch, später einmal in Japan zu leben, erzählt hat.
    Ich nehme mir vor, Philipp am Abend daran zu erinnern, seine Oma mal wieder anzurufen. Ein späterer Urnenbesuch ist immer nur ein unzureichender Ersatz für die Zuneigung, die man seinen Verwandten zeigen kann, wenn sie noch leben. Selbst, wenn man am Grab öfter zu Wort kommt.



26
»Wildes Plakatieren? Nicht mit mir!«
    E inerseits fühlt meine Mutter sich einsam, weil sie außer mir und ihrer Freundin Margot im Grunde niemanden hat, mit dem sie sich regelmäßig austauschen kann. Andererseits sind andere Leute ihr oft so ein Dorn im Auge, dass sie an ihrer Grundstücksgrenze am liebsten eine drei Meter hohe Mauer ziehen und diese mit NATO -Draht, Überwachungskameras und Selbstschussanlage sichern würde. Zwei schwarze Rottweiler würden am Mauerwerk knurrend ihre Runden ziehen, und Muddi könnte befehlen: »Apollo! Zeus! Fasst!« Zu fassen wären hier mutmaßliche Einbrecher, Blumenschänder und Wildplakatierer.
    »Gegenüber auf der Wiese hat sich so ein Mini-Zirkus breitgemacht«, erzählt sie mir eines schönen Dienstagmorgens am Telefon. »Sag mir doch mal, wer sich so was noch ansieht, Laura! Schon diese Bettelei in der Innenstadt ist ja kaum zu ertragen. Die armen, armen Lamas! Bei minus zwanzig Grad stehen die in der Fußgängerzone. Muss diese Tierquälerei sein? Sollen die Leute doch alleine betteln gehen, wenn sie unbedingt Geld brauchen.«
    Da ich mich nicht auf eine Diskussion über die finanzielle Lage des fraglichen Kleinzirkus einlassen will, muss ich das Gespräch auf erfreulichere Themen lenken. Das gelingt nur, wenn ich zügig und geschickt vorgehe – und möglichst in einer Lautstärke rede, die geeignet ist, die

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