Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
der nächsten Monate invasionsartig in Ihrem gesamten Garten ausbreitet. Das hast du nun davon, du stolze Besitzerin eines bis dato geißfußfreien Gartens. Adieu, unkrautfreies Grundstück! Und tschüss, ihr blanken Stellen unter den Beerensträuchern!
– Johannisbeeren, rote und schwarze – vier Tupperboxen, prall gefüllt und gut verschlossen. Und ich kann sicher sein, dass jede dieser Tupperboxen noch zusätzlich dreimal mit Aluminiumfolie umwickelt ist.
Zu Hause angekommen, überlege ich beim Anblick der Johannisbeerbehälter zunächst, ob Muddi sie deswegen in Silberpapier gepackt hat, weil sie nicht weiß, wie man die Plastikboxen verschließt. Doch als ich die Alufolie von den Behältern gepult habe, stelle ich fest, dass sie die Deckel fest auf die Boxen gedrückt hat. Zwischen die Gummilippen passt nicht einmal ein Staubkorn.
Ich schütte die Johannisbeeren aus den Boxen. Unter den Früchten befindet sich in jeder Box eine bunte Papierserviette. Warum nur? Damit die Tupperbox nicht feucht wird?!
Beim nächsten Treffen frage ich Muddi, was es mit der Alufolie und der Serviette auf sich hat.
»Also, Laura! Stell dir vor, die Boxen öffnen sich und die ganzen Beeren kippen auf deine Rücksitzbank, weil du gerade eine Kurve zu scharf genommen hast«, erklärt sie mir und hört sich dabei gerade so an, als hätte ich selbst darauf kommen müssen.
Jetzt bin ich doch ein wenig beleidigt, immerhin kutschiere ich sie stets sicher durch die Gegend.
»Wie bitte?«, frage ich. »Was denkst du bloß über mein Fahrverhalten, Muddi?«
»Na ja, manchmal rast du ganz schön!«, meint sie mit einem vorwurfsvollen Blick. »Das hat dein Vater auch immer gesagt.«
Mir fällt ein, wie mein Vater sich einmal, als er als Beifahrer neben mir saß, am Haltegriff festkrallte.
»Fahr bloß nicht so dicht auf, Laura!«, rief er. »Lauraa! Du fährst viel zu schnell! Brems doch endlich!«
Ich hätte ihm den Gefallen gern getan, wenn wir nicht gerade auf der Autobahn gewesen wären.
»Und weil ich so einen heißen Reifen fahre, wickelst du die Boxen zigmal in Folie ein, Muddi?«, komme ich wieder zum Thema zurück.
Muddi nickt bedächtig. »Ja, genau.«
Ich finde das, was meine Mutter mir unterstellt, unglaublich. Ich könnte jetzt eine endlose Diskussion beginnen, und ich wüsste schon genau, wie diese verlaufen würde. Aber da ich darauf heute keine Lust habe, weiß ich ganz genau, dass ich nicht auf ihre Bemerkung eingehen darf. Ich hake das Thema stattdessen bewusst ab und erkundige mich nach dem Zweck der bunten Papierserviette in der Box.
»Damit sie nicht so nass wird. Ich hab die Beeren doch gewaschen, Laura«, sagt Muddi, die gerade angelegentlich in einer Schublade kramt. Sie klingt so, als wäre es das Normalste auf der Welt, eine Tupperdose beim Befüllen trocken und sauber halten zu wollen.
Also doch!
»Du weißt aber, dass man die Boxen einfach auswischen kann? Sie sind immerhin aus Plastik , Muddi.«
»Ach Laura«, sagt meine Mutter, blickt kurz von der Schublade auf und seufzt. »Ich hab einfach ein besseres Gefühl, wenn ich das so mache. Außerdem könnten die Beeren auf die Box abfärben. Und dann bekommst du die rote Farbe nicht mehr aus dem Plastik rausgeschrubbt!«
»Dann werf ich die Dinger eben weg und kauf mir neue.«
Dieser Satz ist – und das weiß ich nur allzu gut – ein rotes Tuch für Muddi. Und richtig: Nun bekommt sie große Augen, die sich nach zwei Sekunden zu Schlitzen verengen.
»Na, ihr müsst es ja dicke haben, wenn du dir andauernd neue Boxen kaufen kannst«, sagt sie spitz.
Dies könnte der Auftakt zu einer der Auseinandersetzungen sein, die wir für gewöhnlich führen. Wenn ich auf Reibereien aus wäre, würde die Unterhaltung wie folgt ablaufen:
»Ich werfe aber nicht andauernd Boxen weg!«, antworte ich.
»Das hörte sich aber eben so an«, gibt meine Mutter routiniert zurück. »Und überhaupt werft ihr andauernd was weg und kauft euch was Neues.«
»Ja, Muddi, weil ich nicht in fünfzig Jahren noch vom gleichen Goldrandteller essen möchte«, sage ich bissig.
»Du findest also meine teuren Goldrandteller hässlich? Wie kannst du nur so was sagen!« Meine Mutter ist eingeschnappt.
»Das habe ich doch gar nicht gesagt!«, fahre ich sie an.
»Natürlich hast du das gesagt. Du weißt überhaupt nicht zu schätzen, wie wertvoll solche alten Services sind. Da bekommst du noch Hunderte von Mark für!«
»Euro, Muddi, Euro«, weise ich sie zurecht.
»Jaaa,
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