Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
Schlüssel!«, ruft sie.
»M-hm!«, antworte ich.
Weil ich so offenkundig nur bedingt Anteil am Ende dieser Schlüsselgeschichte nehme, unterstreicht meine Mutter ihren Unmut noch einmal. »Ich steh da einfach nicht drauf, Laura! Mir geht so was ab! Ich hab da einfach keinen Bock drauf. Kei-nen Bock!«
Mir wiederum fällt zu Muddis Wortwahl nichts mehr ein. Ich bin einfach baff.
Muddi hat inzwischen mit einer wilden Geste, die ihre Worte unterstreichen soll, die offene Packung mit dem Krabbensalat »Sylter Art« auf den Teppich gefegt. Alles, was ich jetzt noch tun kann, ist, ihr eine bunte Papierserviette zu reichen. Ich nehme an, die findet sie geil.
30
»Ich will nicht unnötig Geld ausgeben!«
D er Sparzwang meiner Mutter ist ihr manches Mal im Weg – sie kauft nie gleich, denn es könnte ja auch noch ein billigeres Angebot geben. Ich stehe hingegen auf dem Standpunkt, dass billig nicht unbedingt auch besser sein muss. Und ich habe es lieber, etwas erledigen zu können, anstatt eine Ewigkeit darauf zu warten, dass das Produkt oder die Leistung irgendwo preisgünstiger angeboten wird.
»Soll ich jetzt den Maler fürs Grafenhaus nehmen oder nicht, Laura?«, fragt Muddi mich eines Tages.
Wie bitte? Ich traue meinen Ohren kaum. Seit fünf Wochen telefoniert meine Mutter überall herum. Sie ruft Bekannte, Verwandte und sogar einige Leute an, die sie in der Tankstelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite kennengelernt und in ein Gespräch verwickelt hat. All diese Leute fragt sie, ob sie jemanden wüssten, der kostengünstig die Fenster, Türen und Fensterläden des Grafenhauses streichen könnte. Egal ob Profi oder Amateur, Muddi sammelt alle Namen und Telefonnummern, die sie nur bekommen kann. Angeblich hatte sie vor Kurzem jemanden gefunden.
Fassungslos stelle ich meine Tasse Kaffee, die ich gerade zum Mund führen wollte, zurück auf den Tisch.
»Muddi!«, rufe ich. »Ich dachte, du hättest dich schon in der vorletzten Woche für den Maler aus Buxtehude entschieden? Du hast doch gesagt, der Kostenvoranschlag sei in Ordnung. Was ist denn nun wieder nicht richtig an dieser Firma?«
»Laura! In welchem Ton sprichst du mit mir? Du tust ja gerade so, als wäre ich nicht mehr in der Lage, einen Handwerker zu bestellen!«
»Ähem, Muddi …? Du erzählst mir doch dauernd, dass du dich am liebsten gar nicht mehr mit diesem Handwerkergesindel abgeben möchtest. Vor geraumer Zeit hast du einen Kostenvoranschlag bekommen und mir vor zwei Wochen gesagt, dass du diese Firma beauftragen willst – und plötzlich erfahre ich, dass du das noch gar nicht getan hast? Worauf wartest du?«
Muddi nimmt die Brille ab, die sie sich gerade erst auf die Nase gesetzt hat, um mir einen Artikel aus dem Tageblatt vorlesen zu können. Sie schleudert die Lesehilfe mit Schwung auf den Tisch und die Zeitung gleich hinterher.
»Laura«, sagt sie entrüstet, »ich muss mir schließlich genau überlegen, wofür ich Geld ausgebe und wie viel.«
Ich seufze. »Ich auch, Muddi. Und ganz ehrlich: du doch eigentlich nicht. Du hast so viel Geld gespart. Und du ärgerst dich mindestens seit Vatis Tod über die Fenster und Türen, die noch gestrichen werden müssen. Willst du das Haus in Wirklichkeit etwa gar nicht streichen lassen?«
Meine Mutter stöhnt laut auf. »Die Frau Meyer von der Tankstelle hat mir erzählt, dass sie einen Maler kennt, der das vielleicht billiger machen würde. Sie wollte mich anrufen und mir die Telefonnummer geben.«
»Gott, Muddi, wie lange willst du denn auf diesen Anruf warten? Währenddessen könnten deine Fenster und Türen längst gestrichen sein!« Ich schüttele den Kopf.
»Aber ich will doch nicht unnötig Geld ausgeben, Laura!«
»Das tust du doch gar nicht! Du hast genug Geld, um zweihundert Türen und Fenster streichen zu lassen. Oder du lässt es sein, verkaufst dein Haus und machst eine Weltreise. Was hältst du davon?«
»Ja, eine Schiffsreise, die wollte ich eigentlich schon immer machen, Laura. Ach Gott, hätten dein Vater und ich das bloß mal gemacht! Aber wir hatten ja euch und nie die Zeit dazu.«
Ja, Muddi, ich weiß, Jürgen und ich – wir sind natürlich schuld. Wie immer. Natürlich kann ich das nicht laut aussprechen, weil ich sonst gleich in eine Diskussion verwickelt würde, aber ich denke es mir einfach.
»Und ich kann doch nicht einfach so aus meinem Haus ausziehen! Wenn ich dieses Haus mal verlasse, dann nur auf einer Bahre, Laura.«
»Dann lass die Häuser streichen,
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