Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
sie es auf den richtigen Weg gebracht hat.
Natürlich haben Eltern die Aufgabe, ihre Kinder vor den Folgen gefährlichen oder unklugen Fehlverhaltens zu schützen. Dabei ist es nicht immer leicht zu entscheiden, wo die Grenze zwischen kindlichem Übermut und schädlicher Entgleisung liegt. Aber mit dem Ziel vor Augen, das Beste für die Entwicklung ihres Kindes erreichen zu wollen, machen sie meist nicht allzu viel falsch, und ihre Bemühungen tragen Früchte.
Eine Mutti dagegen hat nicht die Wünsche und Vorstellungen des Kindes im Blick, sondern ihre eigenen. Dabei ist sie sich in den meisten Fällen gar nicht im Klaren darüber, dass dem so ist. Die Hirnforschung zeigt, dass ein Mensch zu 90 Prozent von seinen unbewussten Gefühlen gesteuert wird. Muttis Unbewusstes lässt sie mehr auf das eigene Wohlergehen und den schönen Schein nach außen achten als auf das Wohlergehen ihres Kindes – auch wenn sie subjektiv sehr sicher und sehr überzeugt davon ist, dass sie das Richtige für ihr Kind will und tut. Eine Mutti ist über das in ihrer Schwangerschaft und den ersten Lebensmonaten ihres Kindes herrschende »Ich bin du, und du bist ich« nicht hinausgekommen. Für sie sind ihre Wünsche und Bedürfnisse gleichzeitig die ihres Kindes und andersherum. Und wenn es nicht passt, dann wird es eben gnadenlos passend gemacht.
Natürlich will sie für ihren Sprössling nur die beste, tollste, strahlendste Zukunft – aber was das konkret heißen kann, zeigt eindrucksvoll ein Artikel in der FAZ vom 6. Oktober 2012. Im Gespräch der akademisch gebildeten und beruflich erfolgreichen Eltern mit der Journalistin über die Zukunft ihrer ungeborenen Tochter äußerte sich der Vater noch unsicher und offen. Die Mutter hingegen wusste schon ganz genau, was sie für ihr Kind wollte: nur das Beste – das, was sie selbst nie hatte, aber immer hätte haben wollen. Es ist vorauszusehen, dass sich unter dieser von Mutti festgelegten Prämisse, dass ihr Glück auch gleichzeitig das des Kindes ist, zu Spannungen kommen muss. Einer von beiden muss sich verbiegen – und das ist nicht die Mutti.
Allez hopp!
Schon im Mutterleib teilt der Fötus über Fruchtwasser und Plazenta die Gefühle seiner Mutter, denn die ausgeschütteten Hormone, sei es das alarmierend wirkende Adrenalin oder das glücklich machende Endorphin, wirken auch auf ihn. Auch nach der Geburt besteht diese starke Koppelung erst einmal weiter, auch wenn nicht mehr Hormone auf direktem Weg ausgetauscht werden.
»Kinder sind wahre Nachahmungsmaschinen«, sagt der Hirnforscher Michael Gazzaniga. Die Mutter muss nur zu lachen beginnen, schon lacht auch ihr Baby. Sie hebt es hoch, sie strahlt es an, für das Baby geht die Sonne auf, es strahlt über beide Backen zurück. Wenn das Kind krank oder unleidlich ist, ist Mutti traurig und gestresst. Ein verärgertes, quengelndes Kind bringt die Mutter um den letzten Nerv, ein ruhiges erlaubt es ihr, sich zu entspannen, ein fröhliches lässt ihr das Herz aufgehen.
Das Baby lernt schnell, dass es ihm gut geht, wenn es der Mutter gut geht. Schon in dieser Phase eröffnen sich für eine Mutti Möglichkeiten, ihr Kind so zu manipulieren, dass der Alltag für sie möglichst glatt verläuft. Der neue Schlafanzug kratzt und zwickt? Das Kleinkind schreit oder jammert, merkt aber schnell, wenn die Mutter nicht zugewandt und mitfühlend reagiert. Antwortet die Mutter auf seine Unmutsäußerungen mit Wut oder Enttäuschung, geht es dem Baby schlechter als zuvor. Schon in dieser ersten Phase kann es instinktiv lernen, die eigenen Gefühle zu unterdrücken und sich möglichst konform zu verhalten. Dann schweigt es lieber und findet sich ab; der erste Schritt in Richtung ferngesteuerter, gefühlsarmer Mensch ist getan. – »So ein liebes Kind!«
Wenn das Kind mit zwei oder drei Jahren zu erkennen beginnt, dass es eine eigenständige Persönlichkeit ist, wird die nächste Runde im Kampf um die Gefühle eingeläutet. Normalerweise sind dann die Gefühle der Mutter für das Kleinkind nicht mehr von so elementarer Bedeutung wie für den Säugling. Das Kind kann schlecht drauf sein, auch wenn Mutti einen guten Tag hat; es kann aber auch ungerührt weiterspielen, wenn Mutti sichtlich deprimiert ist. Seine Gefühlswelt koppelt sich langsam von der seiner Mutter ab.
Es kann also sein, dass das Kind friert, auch wenn Mama sagt, dass ihr warm ist. Das Kind lernt, dass beides gleichzeitig wahr sein kann, weil es selbst und die Mutter unterschiedliche
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