Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
Gehirn verankert und bestimmen maßgeblich den Menschen – lebenslang.
Normalerweise kommen Kinder ganz gut damit zurecht. Dann nämlich, wenn sie sich in der Regel auf ihr Unbewusstes verlassen können. Mutti-Kinder können das nicht. In ihrem unbewussten Teil des Denkens, Fühlens und Handelns hat sich Mutti breitgemacht.
Besonders fatal ist der zweite Grund: Haben Mutti-Kinder zum Beispiel mit externer Hilfe erkannt, in welch unglücklicher Lage sie sich befinden, und wollen sie sich aus der Umklammerung befreien, werden als Erstes wie auf jede Veränderung Verunsicherung, Angst und Druck die vorherrschenden Empfindungen sein.
Gerald Hüther, Leiter der Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung der Universitäten Göttingen und Mannheim/Heidelberg, beschreibt es so: Wenn sich im Gehirn Unruhe und Erregung ausbreiten, können Wahrnehmungen nicht mehr mit bereits gespeicherten Erinnerungen abgeglichen werden. Das ist aber notwendig, um Neues lernen zu können und im Gehirn zu verankern. »Das Einzige, was dann noch funktioniert, sind ältere, sehr früh entwickelte und fest eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster«, fährt er fort. Also genau die Muster, die Mutti implantiert hat. Jeder Versuch, dem Mutti-Gefängnis zu entkommen, treibt den Insassen also nur noch fester in Muttis Arme.
Zuckerbrot und Peitsche
Machiavelli riet dem »idealen Fürsten«, sich die Liebe und Furcht des Volkes darüber zu sichern, dass er Strafen kurz und heftig ausfallen lässt, Wohltaten aber in kleinen Dosen regelmäßig verteilt, damit das Gute als Regel, das Schlimme als die Ausnahme wahrgenommen wird. Mutti hat sich einiges von Machiavelli abgeschaut. Sie arbeitet mit einem raffiniert abgestuften System von Belohnungen und Strafen, um ihren Zögling in die von ihr gewünschte Richtung zu bringen.
Es gibt viele Arten, einem Kind sein Wohlwollen zu zeigen: Die Palette reicht von Klassikern wie der Tafel Schokolade über einen Ausflug ins Schwimmbad bis hin zu Vergünstigungen wie einer zusätzlichen halben Stunde am Computer. Vergleicht man die Kinderzimmer von heute mit jenen vor wenigen Jahrzehnten, wird man feststellen, dass viele Kinder heute in einem ungeahnten Luxus leben. Ihre Zimmer sind vollgestopft mit Spielzeug. Und solange das Kind tut, was Mutti will, wird es ganz sicher regelmäßig noch mehr werden. Es gilt das Prinzip: Bist du brav, habe ich dich lieb, und dann bekommst du auch eine Belohnung. Das Kind wird verwöhnt, solange es das geforderte Wohlverhalten an den Tag legt.
Aber wie es mit Privilegien so ist: Der Alleinherrscher kann sie dem Untertanen jederzeit wieder entziehen, und so wie der Fürst Machiavellis seine Untertanen durch Belohnung und Strafe lenkt, weiß das Kind, dass Mutti ihm all die schönen Dinge verweigern wird, wenn es wider den Stachel löckt. Wirksamer noch als Machiavellis Fürstenherrschaft ist die Herrschaft der Mutti, weil sie im geschützten und unkontrollierten privaten Raum stattfindet und als Basis nicht die bloße Macht, sondern die gegenseitige Liebe für sich beansprucht.
Diese ständige Bemutterung, die dem Kind jeden Komfort ohne eigene Anstrengung zuschanzt, raubt ihm die Möglichkeit, eigene Kräfte zu entwickeln. Bevor es sich Gedanken darüber machen kann, was es eigentlich will, bekommt es bereits von Mutti das vor die Nase gesetzt, was sie für das Beste hält. Und es muss sich nicht anstrengen, irgendetwas zu erreichen – nur, der Mutti liebstes Kind zu sein. Auch hier gilt: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, und die nächste Gelegenheit, sich mit Wohlverhalten mütterliche Zuneigung und weitere Belohnungen zu verdienen, kommt bestimmt.
Ein emotional erpresstes Kind, dem der Schneid und damit auch der Drang zur eigenen konstruktiven Entwicklung durch viele schöne Dinge abgekauft wurde, kann keine Distanz entwickeln. Es hat erst gar nicht die Chance, seine Hilflosigkeit zu erkennen, da es aus Muttis Sicht alles richtig macht und für sein Verhalten ständig belohnt wird. Es ist keiner offenen Gewalt ausgesetzt, gegen die es sich auflehnen könnte. Im Gegenteil, es ist im Überfluss groß geworden und auf dem besten Wege dazu, der Parasit von morgen zu werden. Es hat ja gelernt und als unbewusst wirksamen, ganz selbstverständlichen Anspruch verinnerlicht, dass es jeden möglichen Komfort ohne eigene Leistung beanspruchen kann, solange es angepasst und lieb ist.
Die Muttis dieser Welt setzen ihre reduzierte Empathiefähigkeit auf eine ganz besondere
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