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Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)

Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)

Titel: Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Milsch
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findet sich eine Gruppe.
    Die verschiedensten gesellschaftlichen Gruppierungen konstituieren sich über manchmal offen kommunizierte, manchmal stillschweigend erlernte und angewandte Regeln. Diese bestimmen, wer unter welchen Bedingungen mitmachen darf – und wer nicht. Das gilt für Burschenschafter und Greenpeaceaktivisten genauso wie für die Teilnehmer einer Kaffeefahrt. Untereinander erkennt man sich am Verhalten – und an Symbolen. Eine Hose mit Schlag, Musik – sei es eine Nationalhymne oder ein Fangesang – oder Kreuz, Halbmond und Totenkopf: All das eignet sich gleichermaßen, um Menschen um sich zu scharen. Gruppen bieten ihren Mitgliedern eine emotionale Heimat und Identität. Und das ist gut so. Rudelbildung integriert aber nicht nur, sie schließt auch aus.
    Ein Gemeinschaftsgefühl innerhalb einer Gruppe kann nur dann entstehen, wenn auch der Platz außerhalb definiert ist. Denn jeder Zusammenschluss braucht einen Gegenpart, eine andere Gruppe also, gegen die sich die eigene abgrenzen kann. Eine Vereinigung von Atmern würde es schwer haben, Mitglieder zu finden, denn es gibt schlichtweg keinen Menschen, der nicht atmet. Was es allerdings gibt, sind Vereine, deren Mitglieder das richtige Atmen praktizieren. Die einen schwören auf Tiefenatmung, die anderen finden ihr Glück im Dauerhecheln. Auf dieser Ebene ist dann wieder Platz, um sich gegen andere abzugrenzen und am Wirgefühl der eigenen Gruppe teilzuhaben.
    Kein eingefleischter Nichtraucher also ohne Raucher, kein bekennender FKK -Anhänger ohne Textilträger. Jede Religion braucht Un- oder Andersgläubige. Ohne Katholiken hätten Protestanten nur halb so viel Spaß. Je mehr sich eine Gruppe in ihren Einstellungen oder Praktiken abgrenzen kann, desto stärker ist die Identifizierung ihrer Mitglieder mit ihr. Der Philosophieprofessor Thomas Metzinger von der Universität Mainz ist sogar davon überzeugt, dass der Zusammenhalt in der eigenen Gruppe sinkt, wenn der Außendruck durch Andersdenkende nachlässt. Doch dabei kommt es darauf an, ob der Andersdenkende akzeptiert werden kann oder ob er automatisch zum Feind abgestempelt und bis aufs Blut bekämpft wird.
    Trupp oder Team?
    Lady-Gaga-Fans und Sportkletterer treffen sich eher informell; Kleintierzüchtervereine und das Militär haben da weitaus strengere Regeln. In solchen Organisationen gibt es oft klare Hierarchien: Einer ist der explizit benannte Befehlshaber oder Aufseher, der für die Belange der Gruppe steht. Die anderen haben zu tun, was er sagt.
    Im Kloster bestimmen die Klosterregeln und der Abt das Leben der Mönche rund um die Uhr und oft bis ins letzte Detail. Das Verhalten, die Tätigkeit, die jeder zu verrichten hat, die Kleidung, Zeit und Art der Mahlzeiten und vieles mehr sind genauestens vorgeschrieben. Kein Obergefreiter wird zu sagen wagen, dass er heute mal keine Lust hat, an der Kaserneneinfahrt Wache zu stehen. Strikte Befehlsketten sind in manchen Fällen sachlich geboten, etwa wenn ein Brand in Sekundenschnelle koordiniert bekämpft werden muss. Dann ist es gut, wenn keiner der Feuerwehrmänner seinem Zugführer kurzerhand mitteilt, dass er dieses Mal nicht das C-Rohr halten, sondern lieber für den Wassernachschub sorgen will.
    Die strengsten Regeln aber haben all jene Gruppen, die sich nach außen hermetisch abriegeln und jedes Nichtmitglied als minderwertig begreifen. Religiöse Fundamentalisten, extreme politische Parteien und bestimmte Fußball-Fangruppen tun das zum Beispiel. Spannend dabei: Je strikter und exklusiver die Regeln, umso mehr beantworten solche Strukturen den Wunsch nach Sicherheit. Gerade unsichere und schwache Menschen fühlen sich von ihnen besonders angezogen, denn hier finden sie das kollektive Selbstwertgefühl, das ihnen als Individuen fehlt.
    Die Abschottung durch einen strengen Kodex beschneidet Freiheiten. Ein Mitglied eines ultraorthodoxen St.-Pauli-Fanclubs wagt besser nicht, ein Tor der Spieler von Bayern München zu loben. In diesen streng abgeschlossenen Systemen kann auch niemand aufs Geratewohl vorbeikommen und sagen: »Ich will heute mal mitmachen.« Denn jeder Neuzugang muss erst einmal gründlich auf Konformität überprüft werden. Würde er Fragen stellen oder gar neue Ideen äußern, würde das die bestehende Selbstgewissheit empfindlich stören. Wo es kein »Rein« gibt, gibt es auch kein »Raus«. Jeder Abtrünnige würde das System infrage stellen. Und das können schwache Menschen nicht gut vertragen. »Mir ist das jetzt

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