Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
Ampeln versehen, damit auch alles seine Ordnung hat.
Gibt es denn gar keinen Ausweg?
Im Straßenbau hat sich in den letzten Jahren eine ganz andere Möglichkeit der Verkehrsführung durchgesetzt: der Kreisverkehr. Nicht ohne Grund, denn gegenüber Kreuzungen besitzt er ganz erhebliche Vorteile. Jeder achtet selbstverantwortlich darauf, wann sich für ihn die nächste Lücke auftut, um in den Kreisverkehr einzuschwenken. Die Wartezeiten – wenn sie überhaupt auftreten – sind deutlich kürzer als an einer Ampelkreuzung. Es geschehen weniger Unfälle, weil ein Kreisverkehr deutlich übersichtlicher ist als eine Kreuzung, und wenn sie einmal auftreten, dann verlaufen sie glimpflicher, weil die Fahrzeuge langsamer fahren. Niemand muss warten, obwohl er eigentlich losfahren könnte. Im übertragenen Sinne hieße das, dass wir einen Kreisverkehr der Möglichkeiten mit Ausfahrten brauchen.
Die erste Ausfahrt: Selbstreflexion
Jeder Mensch hat die Chance, sich weiterzuentwickeln – jederzeit. Nie standen die Zeichen so gut, die eigenen äußeren Lebensumstände selbst zu bestimmen; und zwar für Männer und Frauen gleichermaßen. Unsere Gesellschaft ist nicht mehr in Klassen unterteilt, die durch undurchdringliche Mauern voneinander getrennt sind. Aufenthaltsort, Beruf, Lebenspartner können frei gewählt werden. Dass es einmal anders war, ist eher Jahrzehnte als Jahrhunderte her, aber trotzdem für heutige Verhältnisse so unvorstellbar, dass wir uns schon gar nicht mehr daran erinnern können. Es winken heute zahllose Möglichkeiten. Das sollte also nicht das Problem sein.
Schwieriger ist es, sich persönlich, also innerlich weiterzuentwickeln. Eine der jüngeren Erkenntnisse der Hirnforschung lautet: Unser Gehirn programmiert sich fortwährend selbst. Neuronale Verknüpfungen, die wir häufig benutzen, werden gestärkt, selten benutzte abgebaut. Was wir immer wieder tun, wird zur Gewohnheit, im Denken wie im Handeln. Am stärksten wirkt diese Prägung während der frühen Kindheit, aber auch in der Pubertät werden noch vielfach Bahnen im Gehirn gezogen oder auch wieder verschüttet. Mit 18 Jahren ist bei den meisten Menschen ein Großteil der Strukturen festgelegt, nach denen sie für den Rest ihres Lebens handeln.
Wer von klein auf daran gewöhnt ist, Neuem gegenüber offen zu sein und an sich zu arbeiten, hat hier einen großen Vorteil. Solche Menschen sind es gewohnt, über sich und ihre Beziehungen nachzudenken und nicht wie Lemminge ihren einmal gelernten und nun unbewusst gespeicherten Verhaltensmustern zu folgen. Diese fatale Dominanz des Unbewussten betont auch der Kinderpsychiater Michael Winterhoff: »Eltern unterscheiden nicht mehr zwischen sich und ihrem Kind, sondern denken und handeln, als wenn es sich beim Nachwuchs um einen Teil ihrer selbst handeln würde. Aus diesem Grunde spreche ich von einer Symbiose, also einer Verschmelzung der Psyche von Eltern und Kind. Dabei ist es wichtig, dass dieser Vorgang unbewusst ist.« (»Lasst Kinder wieder Kinder sein! Oder: Die Rückkehr zur Intuition«, S. 10)
Wer allerdings dazu erzogen wurde, in festgefahrenen Bahnen zu denken und nur zu reagieren, dem wird es als Erwachsener besonders schwerfallen, über sich selbst zu reflektieren. Muttis sind da ganz klar im Nachteil. Für sie ist eine Veränderung in ihrem Verhalten eine Herkulesaufgabe. Aber sie ist nicht unmöglich.
Schon in frühen Jahren verinnerlichte Verhaltensweisen abzulegen kann gelingen, wenn der erwachsene Mensch seine Kindheit vor seinem inneren Auge vorbeiziehen lässt und sich dabei fragt: Welche Erlebnisse, welche Erziehungsmethoden, welche Beziehungen haben mich geprägt? Was davon will ich beibehalten und was verändern? Mit anderen Worten: Er muss sich dessen, was ihn beeinflusst und geformt hat, bewusst werden. Wer sich darüber im Klaren ist, dem fällt es leichter, nicht immer wieder automatisch denselben Denk- und Handlungsmustern zu folgen. Trotzdem ist es nötig, sich immer wieder bewusst gleichsam von außen zu beobachten und sich zu fragen: Tue, sage, denke ich etwas, weil ich es gut finde – oder vielleicht nur deswegen, weil meine Eltern es mir so beigebracht haben? Das gilt für einen Mann, der in seiner Gemeinde auch noch am Wochenende zeitraubende und anstrengende Aufgaben übernimmt, genauso wie für eine Frau, die mit größter Mühe ihre Kleidergröße hält, oder einen Jugendlichen, der seine Tante zur Begrüßung küsst. Sie alle sollten sich fragen: »Für wen
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