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Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)

Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)

Titel: Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Milsch
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Kindern mehr in die Augen?«
    »Ja«, erklärt Kathrin, die Psychologin. »In Mitteleuropa schauen Mütter ihren Kindern im Durchschnitt etwa ein Viertel der Interaktionszeit in die Augen, also der Zeit, in der sie sich mit ihnen beschäftigen. Bei dir sind es höchstens 10 Prozent.«
    »Oh, das ist mir gar nicht aufgefallen. Ist das denn schlecht? Ich meine, der Kleine soll doch nicht nur auf mich fixiert sein.«
    »Natürlich ist es gut, wenn er sich auch die Welt und andere Menschen anschaut. Die Mischung macht’s. Um die Welt erkunden zu können, braucht er eine feste Basis bei dir. Eine gute Beziehung kannst du nur aufbauen, wenn du dein Kind auch anschaust und nachguckst, was es gerade fühlt. Probier doch mal aus, wie es sich für dich anfühlt, wenn du es bewusst ein wenig öfter anschaust«, erklärt Kathrin. »Gut, ist sonst noch jemandem was aufgefallen?«
    Kai meldet sich etwas zögernd. »Ich will ja nicht gemein sein, aber ich hatte den Eindruck, du hast Yannik geradezu von deinem Mann abgelenkt.«
    Im Stuhlkreis nicken zwei oder drei der Teilnehmer. »Ja, du hast ihn mit der Kuh abgelenkt, sobald Martin in die Elefantensache eingestiegen ist«, bestätigt Heike.
    Saskia steigt die Röte ins Gesicht. »Na ja«, verteidigt sie sich, »ich wollte doch, dass er die Tiere kennenlernt.«
    »Geht es denn hier um Frühschulung? Es geht doch um das Verhältnis, das wir zu unseren Kindern und zueinander haben. Und für mich sah’s einfach so aus, als würdest du Martin ausgrenzen«, beharrt Kai. »Und Martin hat das einfach mit sich machen lassen.«
    Martin räuspert sich, dann sagt er leise zu Saskia: »Ehrlich gesagt, habe ich das Gefühl schon seit Yanniks Geburt, dass du ihn am liebsten für dich haben willst. Manchmal bin ich ziemlich frustriert deswegen. Aber dann sage ich mir immer, dass das normal ist.«
    Saskia starrt ihn entgeistert an, dann beißt sie sich auf die Lippen. Martin steht auf und setzt sich vor Saskia und Yannik auf den Boden. Er greift nach Yanniks Fuß und kitzelt ihn. Als der Kleine gluckst, lacht Martin vorsichtig zurück. Saskia zieht instinktiv ihr Kind näher an sich, dann stockt sie, grinst verlegen und lässt Vater und Sohn gewähren.
    Eltern stehen unter einem enormen Druck. Sie wollen alles richtig machen. Sie sollen das Kind fordern und fördern, seine geistige, körperliche, motorische, sprachliche und musikalische Entwicklung optimal unterstützen. Und all das, obwohl ihnen im Geburtsvorbereitungskurs gerade einmal die nötigsten Handgriffe im Windelnwechseln und Fläschchensterilisieren erklärt wurden. Mehr nicht.
    Die vielen Regalmeter Erziehungsratgeber bieten da keine Hilfe: Tu dies oder das auf keinen Fall, dafür jenes unbedingt. Jeder Autor hat seinen eigenen Ansatz, der manchmal im krassen Widerspruch zu dem des nächsten Erziehungsratgebers steht. Ob man das nachts jammernde Kleinkind sofort trösten muss oder quengeln lässt, ist Gegenstand erbittertster Grabenkämpfe. Welcher Theorie soll man folgen? Noch dazu wird der Eindruck erweckt, jede falsche Entscheidung der Eltern richte irreparablen Schaden bei den Kindern an. Da trauen sich Eltern kaum noch, sich auf sich selbst zu verlassen. Noch dazu sind Erziehungsratgeber eine kommunikative Einbahnstraße: Sie können zwar Ratschläge geben, aber kein Feedback. Und Eltern können nicht einmal rückfragen.
    Die Einschätzungen real anwesender Dritter sind dagegen von größtem Wert. Fremden Augen fallen Verhaltensmuster auf, die einem selbst völlig unbewusst bleiben. Das können befreundete Ehepaare sein, Geschwister, Großeltern. Aber nicht immer verfügen die Eltern über ein in Erziehungs- und Beziehungsfragen kompetentes soziales Umfeld, das sie in ihrer Rolle unterstützen kann oder will. Nur zu oft tappen sie in alte Erziehungsfallen, anstatt wertvolles Feedback zu bekommen.
    Der Ausweg sind meiner Idee nach Eltern-Kind-Gruppen unter der qualifizierten Leitung eines erfahrenen und geschulten Psychologen oder Pädagogen. Am besten nehmen an einem solchen Kurs sechs Paare oder bis zu zwölf Bezugspersonen mit ihren Kindern teil. Diese Zahl hat sich für die Förderung einer vertraulichen und dennoch lebendigen Atmosphäre bewährt. In solchen Gruppen können unsichere Eltern dann auch gleich beobachten, wie andere es machen, und offen miteinander darüber sprechen. Das hilft ungemein.
    In Eltern-Kind-Gruppen geht es um weitaus mehr als um Erziehungsmethoden. Die Bezugspersonen werden in ihrem Verhalten

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