Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
gespiegelt und können sich so über sich selbst Klarheit verschaffen: »Liebe ich (mich) genug, oder was muss ich ändern, um ein liebevolles Vorbild für meine Kinder zu werden?« Denn nur wenn sich die Eltern untereinander und ihren Kindern gegenüber mit echter, offener Liebe und Wärme begegnen – mit einer bedingungslosen Liebe, die den anderen so akzeptiert, wie er ist –, können sie ihren Kindern Selbstbewusstsein und einen starken emotionalen Rückhalt mit auf den Weg geben. Und die Fähigkeit, selbst zu lieben und andere mit all ihren Stärken und Fehlern zu akzeptieren.
Weltweit gibt es fundierte Untersuchungen über die Folgen zu früher und zu wenig differenzierender Betreuung für kleine Kinder von unter drei Jahren. So schreibt der Kinderarzt Rainer Böhm in einem Aufruf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:
»Unter der Regie des renommierten National Institute of Child Health and Human Development (NICHD) entwickelte eine Gruppe weltweit führender Spezialisten für frühkindliche Entwicklung Anfang der neunziger Jahre ein ausgefeiltes Untersuchungsdesign. Daraufhin wurden mehr als 1300 Kinder im Alter von einem Monat in die Studie aufgenommen. Über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren wurden sodann die kognitive Entwicklung und das Verhalten der Kinder detailliert gemessen. Erhoben wurden überdies der Bildungsstand, der sozioökonomische Status und der Familienstand der Eltern, dazu verschiedene Dimensionen der Eltern-Kind-Interaktion sowie eine Vielzahl an Daten zur außerfamiliären Betreuung wie Art der Einrichtung, Besuchsdauer und Betreuungsqualität.
Die Autoren der NICHD-Studie leiteten aus diesen Ergebnissen zahlreiche Empfehlungen ab.
1.Die Qualität der Betreuung müsse gesteigert werden.
2.Die Dauer der Betreuung sei zu reduzieren.
3.Die Eltern müssten in ihrem Erziehungsauftrag gestärkt werden.« (FAZ, 04. Januar 2012, S. 7)
Das heißt nicht, dass wir keine Kitas brauchen, sondern bessere und dazu noch die Wahlfreiheit für einen anderen Ort der Erziehung und Betreuung. Diese differenzierte Forderung an die Bildungspolitiker aller Parteien stellt auch der Familientherapeut Jesper Juul und schreibt: »Zum einen geht es um die Qualität der Kindertagesbetreuung. Und zum anderen um die Freiheit der Eltern, sich für das Modell zu entscheiden, von dem sie glauben, dass es für ihre Familie das Beste ist.« (»Wem gehören unsere Kinder? Dem Staat, den Eltern oder sich selbst? Ansichten zur Frühbetreuung«, S. 10)
Der Bildungsforscher vom Münchner Staatsinstitut für Frühpädagogik, Wassilios Fthenakis, schreibt: »Eine Modernisierung der Tageseinrichtungen für Kinder und eine Weiterentwicklung von Bildungsqualität steht, darüber gibt es keinen Zweifel, in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung und bedeutet für uns eine vornehmste Pflicht.« (»Frühpädagogik International. Bildungsqualität im Blickpunkt«, S. 399)
Und Eltern und Kitas müssen sich gegenseitig ergänzen und verstärken.
Grundsätzlich zeigte sich aber, dass das Erziehungsverhalten der Eltern einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Entwicklung ausübt als das der Betreuungseinrichtungen.
Die vierte Ausfahrt: Einfühlung und Dialog
Manche Kinder können das erste Wort sagen, bevor sie laufen lernen, bei anderen ist es umgekehrt. Auf Spielplätzen und in Krabbelgruppen wird die Entwicklung gleichaltriger Kinder intensiv verglichen, und schnell artet das in wüste Konkurrenzkämpfe darüber aus, wessen Kind schneller, geschickter, schlauer, besser ist.
Mein Rat an Eltern ist: Lassen Sie sich nicht verrückt machen! Bisher hat noch jedes gesunde Kind laufen gelernt. Es nützt nichts, ein Kind zu einem Entwicklungsschritt zu drängen, zu dem es noch nicht bereit ist. Wenn es so weit ist, wird es das Neue lernen. Eltern sollten daher davon ausgehen können, dass sich bei vielen Kindern ähnliche Symptome zeigen, wenn sie kurz vor dem nächsten Entwicklungssprung stehen: Sie ziehen sich erst einmal auf das zurück, was sie schon kennen. Sie klammern sich phasenweise verstärkt an Mama, werden quengelig und ängstlich; oder sie verhalten sich für eine Weile passiv und in sich gekehrt. Das tun sie, weil ihr Gehirn intensiv damit beschäftigt ist, neue Verknüpfungen zu erstellen. Dann sind Kinder verunsichert; sie spüren, dass da etwas Neues auf sie zukommt.
Doch darauf zu vertrauen fällt den meisten schwer. Dabei lässt sich die Fähigkeit zur Einfühlung trainieren; wer sein Kind gut kennt
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