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Mutti packt aus

Mutti packt aus

Titel: Mutti packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kühn
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mit »Verpiß dich, du Ficksau!« beschieden hat, eigentlich weiß, wovon er redet. Viel hat das nicht genutzt. Der dünne Firnis der Zivilisation reißt, sobald galoppierende Kinderfüße, Donnerschläge von knallenden Türen und herumgeworfenen Gegenständen die nächste Runde im täglichen Inferno einläuten. Ist das ewige Schimpfbombardement nicht schlimmer als alles andere Schlimme, zu dem Kinder fähig sind: nervender als Zerstörungswut, widerlicher als Petzen, stressiger als Trotz und Lügen? Was sonst bringt einen näher an Gewalttätigkeiten als hysterisch kreischende Kinder, die sich Ausdrücke an den Kopf schleudern, die noch einem gestandenen Bewährungshelfer die Schamröte ins Gesicht treiben dürften? Natürlich ist das Taschengeld schon Monate im Voraus mit Strafen belegt. Seit auch der Jüngste einen Euro in der Woche kriegt, kostet ein »Wichser« 50 Cent … Was dazu führt, dass er sich mit der rechtschaffen selbstzufriedenen Miene eines Mannes, der sich jetzt mal etwas leistet, aus der Hosentasche einen Euro kramt, den er auf den Tisch knallt: »Beknackter bescheuerter Wichser, geh doch in’n Arsch!« schleudert er seinem großen Bruder ins Gesicht. Die anerkennenden Blicke seiner Schwestern sind ihm jedenfalls sicher.
    Sie tun das nicht nur in der Geborgenheit unserer vier Wände. Nein, im Bus, im Schwimmbad und in Restaurants, in die wir seitdem nicht mehr gehen, werde ich das Gefühl nie wieder los, mit vier tickenden Zeitbomben unterwegs zu sein. Wenn Blicke töten könnten, wären meine Kinder längst Waisen.
    Hin und wieder besuchen wir Orte, wo keine Menschen sind. Museen scheiden natürlich aus, aber der Botanische Garten liegt im Winter so schön verlassen da. Schon bald befällt alle vier gähnende Langeweile angesichts meiner sachdienlichen Erläuterungen über die erstaunliche Formenvielfalt der Kakteen und die duftende Mannigfaltigkeit diverser Orchideenarten. Mit der Unabwendbarkeit einer Naturkatastrophe nähert sich der nächste Streit. Böse Blicke schießen hin und her, Mittelfinger werden gereckt. Es geht schon wieder los. »Du gemeine Myrte«, sagt Elise zu Charlotte und kichert boshaft. »Blöde Kuh«, gibt Charlotte zurück, »selber gemein«. – »Nee, guck doch mal, das steht doch hier!« Elise deutet auf das Schild und beteuert: »Ich hab nur vorgelesen!« – »Aber warum, Mama, warum ist denn die Blume gemein?«, erkundigt sich Leander bass erstaunt. Ich erkläre launig etwas in der Art von »gemein heißt bei Pflanzen nicht dasselbe wie bei euch«, da springen sie kichernd davon. Plötzlich beflissen lesen sie jedes Schildchen am Wegesrand, um neue Gemeinheiten zu suchen. Und sie finden: Die Gemeine Felsenbirne, den Halbschmarotzer auf verschiedenen Bäumen, aber auch das schleimige Blaslötchen, den Handlappigen Rhabarber und den Behaarten Backenklee. Die Filzhaarige Quitte, die Kleinköpfige Ackerdistel, die Stinkmorchel sowieso, auch Spritzgurke und Brechwurz, den Wurmfarn, erst recht die Großblättrige Fetthenne und die Echte Feige. Botanische Gärten bergen einen unermesslichen Schatz von Schimpfworten, den man gemeinhin völlig verkennt. Stinkender Bocksfuß, Zitterndes Purpurglöckchen, Schleimhaltige Eibischwurzel … das ist trockenes Pulver, um die Kanonade gemeiner Ausdrücke um ein paar sozialverträgliche Varianten zu erweitern! Über jeden »Rothalsigen Aaskäfer«, der es schafft, ein »Arschloch« zu verdrängen, bin ich glücklich. Klingt »Fleißiges Lieschen« nicht viel besser als »Schleimer« oder »Strebersau«?

Mothers little helpers …
    Jähes Erwachen, aufgerissene Augen, eine zitternde Unterlippe. Ich hätte es ahnen können. Hatte er nicht schon angemerkt, der Weihnachtsmann habe komischerweise sein Geschenkpapier wohl bei Aldi gekauft, genau wie ich? Ganz zu schweigen vom geringschätzigen Blick seines großen Bruders, als ich süßlich von der Zahnfee wisperte, die nur geputzte Zähne mag und es ratzfatz merkt, wenn man sie erst schrubbt, nachdem sie rausgefallen sind. Dann ist sie total traurig und legt auch keinen blitzblanken Euro unters Kopfkissen … Woraufhin der Bruder gemeinerweise den Tipp gab, Mehl aufs Fensterbrett zu streuen. Da gäbe es nämlich Spuren, wenn die Zahnfee wirklich kommen würde!!! Woraufhin ich im Schutze der Nacht mit den Fingerspitzen kleine Abdrücke in den Mehlstaub tupfte, mit linker Feenhand ein paar Zeilen zärtlich mahnend auf fliederfarbenes Papier schrieb und das Würstchen, das er für die

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