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Mutti packt aus

Mutti packt aus

Titel: Mutti packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kühn
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Quatsch, fällt ihr die nächste ins Wort, eine halbe Stunde unter die Trockenhaube beim Frisör, denn mehr als 45 Grad Wärme halten die Läuse nicht aus. Und die Kinder? Egal. Die Traditionalisten rufen erregt: Goldgeist drauf, alles andere könnt ihr vergessen. Nun ist Goldgeist jedoch ziemlich giftig, und das möchten wir ja eigentlich nicht so gerne. Also doch einfrieren? Wie man allerdings die üblichen Kuscheltierbestände gewöhnlicher Kinderzimmer in handelsüblich kleinen Tiefkühlfächern unterbringt, bleibt rätselhaft. Eine Mutter lächelt plötzlich versonnen. Verschämt erklärt sie den Geistesblitz, der ihr gerade die bedrohliche Situation in hoffnungsvollem Licht erscheinen lässt. »Ich habe einen Freund, der ist Pathologe«, sie räuspert sich verlegen, »der arbeitet im Leichenschauhaus. Und da haben sie sehr große Gefrierfächer.«
    Vorerst wird alles aus dem Kindergarten, was weich ist, in dreihundert Wäschebeutel verpackt, die gerecht auf drei Mütter verteilt werden. Komplette Kuschelecken, tonnenweise Tobekissen, Quadratkilometer von Schmusedecken tropfen bald auf eilends gespannten Wäscheleinen in den Wohnungen, dicht an dicht. Hinter den beschlagenen Fenstern wird das Geschehen an vorderster Front pädagogisch wertvoll aufgearbeitet. Bücher wie »Nisse geht zum Fri seur« oder »Luzie, die Laus« machen die Runde. Am nächsten Morgen erscheinen Timilein und Tömchen mit geblümten Kopftüchern. »Siebzehn Läuse und Millionen von Nissen«, schnaubt eine Mutter wütend und schiebt ihre kleine Johanna, deren dunkelbraune Lockenpracht stets Neid erregte, in den Flur. »Das Müsli aus dem Bioladen und dann Nervengift auf den Kopf!!!«, schleudert sie mit wildem Trotz in die entgeisterten Gesichter zweier anderer Mütter, die mit offenem Mund auf den kahlgeschorenen Kinderschädel starren, »das kann ja wohl nicht sein!« Es hilft alles nichts, die Situation gerät im Nu außer Kontrolle. Täglich neue Schreckensmeldungen von der Läusefront machen den Besuch bei der Entlausungsstation des bezirklichen Gesundheitsamtes unvermeidbar – zu Fuß, versteht sich, denn die U-Bahn dürfen die Kinder nicht benutzen. Bei Läusebefall greifen die Bestimmungen des Seuchenrechts. Allein die Wortwahl weckt unschöne Assoziationen, und auch der Raum, den die Kindergartenbelegschaft nach zehn Kilometer Fußmarsch betritt, ist konsequent rundum hellblau gekachelt. Die Läuseexpertin vom Amt gibt sich gelassen. Erst neulich wieder habe man ihr eine ganze Schulklasse geschickt. »Die Kinder waren alle clean«, sagt sie mit unerschütterlicher Miene, »aber bei der Lehrerin, da hat es nur so gewimmelt.«

Kind muss mit …
    Und die Kinder? Die nehmen wir einfach mit. Meinen schüchtern vorgebrachten Einwand, dass wir doch unmöglich mit zwei glucksenden Babys im Tragetuch den superangesagten Italiener in der megahippen Mitte Berlins ansteuern könnten, den wischte meine Freundin damals resolut beiseite. Sollen wir etwa auf alles verzichten, nur weil wir jetzt Kinder haben? Im Mütter-Ghetto vermodern, während draußen das Leben tobt? Nein, das wollen wir nicht. Die haarnadelspitze Bemerkung meiner jüngeren, schlankeren, kinderlosen Schwester, »geh doch mal wieder ins Kino, die haben da inzwischen Ton«, gab den Ausschlag. Genau besehen ist es ja so: Wir sind fruchtbar, und das können wir auch zeigen. Ist doch nichts dabei, und außerdem gehören Kinder dazu! Mit den akustischen Begleiterscheinungen muss der Mitmensch eben klar kommen. Und hatte nicht selbst Frau Süssmuth einst fröhlich verkündet, dass Kinderlärm Zukunftsmusik sei?
    Flink sortiere ich in vorauseilender Aggressivität aus dem Gedächtnis noch ein paar überlegene Bemerkungen zur so sicher wie der Tod nahenden Rentenkatastrophe, dem unbestreitbaren Zusammenhang zwischen Kinderfeindlichkeit und Geburtenrückgang sowie zu diesem ganzen egoistischen Selbstverwirklichungsgetue, dessen logische Konsequenz das definitive Ende des Homo socius ankündigt. Ich bin zufrieden, all das würde ich in präzise geschliffener Häme platzieren, falls mich jemand schief ansehen sollte, weil ich es wagte, mit einem auf meinem Bauch vertäuten Baby am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen zu wollen. Zwei Jahre lang ging das gut: Ich wickelte während der Redaktionskonferenz, ohne dass das einer der Kollegen bemerkte. Auch mogelte ich eine große Reisetasche ins Kino, in der es verdächtig giggelte. Später dann führte ich stets ein ganzes

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