Mutti packt aus
Niveau ist ein Keller freigeworden.«
Wo haben die das eigentlich her? Witze, Wortspiele, Sinnentstellungen, Reime – sie lieben das. Zeigt sich eine auch noch so kleine Gelegenheit, Tabus zu verletzen oder Gemeinheiten loszuwerden, wird das ganz großes Kalauerkino. »Weißt du, was eine Biene leistet, die dich in die Brust sticht?«, fragt todernst der Große seine kleine Schwester. »Entwicklungshilfe!« Und schon geht die Randale von vorne los.
Ich versuche, nicht sofort sauer zu werden. Sonst verpasse ich schon wieder eine Gelegenheit, meine Kinder bei ihrer Humorentwicklung zu unterstützen – ein wichtiges Thema auf der Erziehungsagenda, denn Experten sagen uns, dass am Humor der Kinder etwa vorhandene Intelligenz zu erkennen sei. Humoristische Witzabwehr, Lächerlichkeitsfortbildung, tägliche Grinszüge zur Stärkung der Lachmuskulatur – ein must für moderne mums . Bei der Förderung des Humors werden ja im Elternhaus so viele grundlegende Fehler gemacht, die zu nie wieder gutzumachenden Schäden an der von Natur aus spaßbereiten, stets schadenfrohen und früh ironiefähigen Kinderseele führen! Deshalb wird bei uns knallhart abgelacht, was auf den Tisch kommt. Mir liegt viel an naturbelassenen, gehaltvollen Witzen aus nachwachsenden Rohstoffen. Ich schätze den hohen Glucks-Faktor, der sich in einer geistreichen Pointe langsam entfaltet, dafür aber lange vorhält. Sonst sackt der Humorwert nach anfänglichen Lachsalven so schnell ab, was wiederum Heißhungerattacken nach sich zieht, so dass man sich irgendwann jeden Witz reinzieht, den man kriegen kann.
Lustigsein ist ja auch Lernsache. Ob, wie viel und worüber in einer Familie gelacht wird, prägt Kinder fürs Leben, das weiß man aus einschlägigen wissenschaftlichen Untersuchungen. »Was ist weiß und kann fliegen? Die Biene Mayo!« Okay, schon mal mehr gelacht. Aber auch Semikomisches aller Art aus Kindesmund lässt hoffen: Witze stehen wissenschaftlich hoch im Kurs, denn sie sind eine Art Denkleistung. Die Fachwelt ist sich einig: Ich witzle, also denk ich.
Allein der Alltag ist hart. Ein schreiend komischer Mister Bean werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr werden. Aber ich muss mich als Mutter einfach noch viel mehr auf Juniorwitze einlassen und meinen eigenen Humorhorizont ständig erweitern, der ja bösen Kinderzungen zufolge nur von elf bis zum Mittagessen reicht. Häschen-Witze habe ich schon überstanden. Allein Fritzchen-Witze grassieren noch wie Untote, ich habe sie einfühlsam und scheinamüsiert belächelt. Neuerdings trainiere ich, Mudda-Witze komisch zu finden: Deine Mudda steht am Strand und verkauft Schatten – ist das etwa lustig? Wenn man sie lässt, erzählen sie jeden Witz weiter – notfalls auch fünfzig Mal hintereinander. Tief im Innern weiß ich, dass ich nicht dagegen ankomme. In jedem Kind steckt etwas unkaputtbar Albernes und geradezu mystisch Unanständiges. Wir Erwachsenen mögen das als kindisch abtun – aber wenn Kinder nicht kindisch sein dürfen, wer dann? Ich weiß wirklich nicht, warum ich versuchen müsste, ihnen das abzugewöhnen.
Einige dieser Witze sind sogar ganz interessant: Die hemmungslose Kombination von Groteskem, Blödsinn und Anarchie strotzt doch nur so von lebendiger dadaistischer Tradition! Der totale Zweifel an allem, die Zerstörung von gefestigten Idealen, die willkürliche, zufallsgesteuerte Auflehnung gegen Normen, das lustvolle Kratzen am Tabu … natürlich, es ist pure Satire, also ein respektables literarisches Genre. So ist das, sage ich mir und kaschiere nachlässig ein Kichern mit dem Geschirrtuch, wenn ich mal wieder gefragt werde, was eine Blondine macht, wenn ihr Computer brennt? Sie drückt auf Löschen, was denn sonst!!!
Der passende Witz dazu geht so: Kürzlich ließen sie diese Dinge im Beisein ihres zu Besuch weilenden Vaters los. Sagt der abschätzig: Den flachen Humor haben sie von dir. Sag ich, nee, ganz falsch. Haben sie nicht, ich hab meinen nämlich noch.
Kick it like Mutti
»Manno Mama, wir müssen zum Fußball!«, motzt mein Jüngster und lässt die Stollen knallen. Au weia, wie konnte ich das nur vergessen? Montags um fünf habe ich doch immer Fußball! Erschrocken kanzle ich den berühmten Chefredakteur ab, mit dem ich gerade über einen Artikel spreche, den er mir vielleicht zu schreiben erlaubt. Man hat schließlich Wichtigeres zu tun, als irgendwelchen hergelaufenen Zeitungsmogulen Aufträge aus den Rippen zu leiern, die die nächste Miete sichern
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