Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mutti packt aus

Mutti packt aus

Titel: Mutti packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kühn
Vom Netzwerk:
würden. Fußball zum Beispiel, neben anderen vielleicht die schönste Nebensache der Welt.
    Wir sind spät dran, und als ich mit Karacho in die klei ne Wohnstraße einbiege, die das Spielfeld umgibt, ist schon alles zugeparkt. Vans in allen Variationen, keiner ohne Kindersitz im Fond, alle mit Aufklebern, die der Außenwelt verkünden, dass hier ein Kind (!) transportiert wird, reihen sich zu beiden Seiten der Straße. Ich halte, lasse den Jungen raus, fahre weiter und finde jotwede sogar einen Parkplatz, jogge zurück zum Fußballfeld, damit ich das Training nicht verpasse.
    Ein paar achtjährige Jungs kicken sich Bälle zu. Der Trainer steckt mit roten Plastikhütchen das Spielfeld ab. Der Rest der Mannschaft ist noch nicht fertig umgezogen worden. Auf den Rängen am Spielfeldrand liegt ein buntes Durcheinander von T-Shirts, Trikots, Hosen und Fußballschuhen, Stutzen und Socken, dazwischen Trinkflaschen, Kekse, große geblümte Schultertaschen. Die gehören den Müttern, die ihren fußballerischen Nachwuchs fürsorglich umflattern und in großen Taschen alles herangetragen haben, was ein achtjähriger Großstadtjunge heute so braucht, um mal ’ne Stunde zu kicken. Nicht wenig ist das. Eher ein demonstrativer Großauftrieb in Sachen elterlichen Engagements zu früher motorischer und sozialer Förderung im Kindesalter.
    Auf der Tribüne werden die letzten Hosen auffordernd hingehalten, damit zappelnde Beine hineinfinden. Trikots werden übergestreift – von Müttern, die die hochgereckten Arme ihrer Söhne in das Textil einfädeln, noch einmal alles glatt zuppeln und dann einen Schritt zurücktreten, um das Ergebnis mit schief gelegtem Kopf zu begutachten. Die Jungs hibbeln und hampeln, flitzen, kaum dass sie fertig ausstaffiert sind, auf den Platz, werden zurückbeordert, weil sie vor dem Spiel noch einen Schluck aus der Trinkflasche nehmen sollen, einen Kniestrumpf hochziehen, einen Schienbeinschoner festzurren müssen und die Schnürsenkel auch schon wieder lose um die Knöchel flattern. Während die Kings auf dem Feld großspurig herumtoben und in eindeutigen Gesten zu verstehen geben, dass sie noch viel cooler als die sind, deren Namen auf ihren Trikots prangen, nämlich die wahrhaften Özils, Kloses, Riberys und Müllers, lässt sich ein blondgelockter Junge (»Lahm«) auf den Sitz fallen und hält seiner Mutter kommentarlos die Beine hin. Gesenkten Kopfes kniet sie vor ihm nieder und knotet die Schnürsenkel fest, während er einem anderen auf dem S pielfeld zuschreit: »Mach endlich das Ding rein, du Spast!« Zu seiner Mutter kein Wort, und auch sie erledigt den Dienst schweigend, sogar noch als die zuckende Fußspitze ihres Jungen ihren gesenkten Kopf streift und sie heftig am Oberarm trifft. Ein unwilliges Kopfschütteln, mehr nicht. Und der Junge springt wieder hoch, rennt johlend, in Sieger pose mit erhobenen Armen, die Finger ausgestreckt zum Victory-Zeichen, aufs Feld zurück. Das Training beginnt, die Mütter sammeln hingeworfene T-Shirts auf, entkrempeln zusammengeknäuelte Hosen und legen sie zu kleinen akkuraten Stapeln zusammen, vergewissern sich mit schnellen Blicken, dass die Tupper-Dose mit Apfelschnitzchen und Vollkornkeksen parat liegt. Eine seufzt ihrem Ballack hinterher: »Ach ja, da macht man was mit, aber man wächst auch dran!« Die Mit-Mütter nicken stumm, dann stellen sie die Trinkflaschen griffbereit. Sie ruckeln sich auf den Bänken zurecht. Und während sie ins Plaudern kommen, sind ihre Blicke fest auf das Gewusel dort auf dem Platz geheftet. Gerät ein Sprössling in die Nähe des gegnerischen Tors, löst das Muttivations-Salven aus: »Super!«, »Luki! Mensch, pass auf, links!«, »David, decken! Du musst decken!«, »O nein, hey, das war ein Foul!«
    Der Trainer verdreht genervt die Augen. Immer wieder verhallen seine zarten Bitten, dass man doch bitteschön nicht ins Geschehen eingreifen möge, weil es aus Trainingszwecken ungeheuer wichtig sei, dass die Mannschaft sich an den Gedanken gewöhne, auf ihn zu hören! Doch die Zeiten, in denen sich Mütter aus dem Fußball heraushalten, sind gründlich vorbei. Das muss er einfach nur mal verstehen! Mit gieriger Bewunderung verfolgen die Mütter das Gebolze ihrer Söhne, als ginge es um etwas sehr Wichtiges. Es wird kommentiert, gelobt, gezetert, angefeuert und verglichen. »Na, deiner kommt ja wohl auch nicht aus den Puschen!«, höhnt die Kinder-Kriegerin neben mir und boxt mich kumpelhaft in die Seite. Ich zucke zusammen,

Weitere Kostenlose Bücher