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Mutti packt aus

Mutti packt aus

Titel: Mutti packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kühn
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Merkwürdigkeiten – unbenennbare Werke, für die nicht unbedingt die Optik, sondern allein der Wille des Schöpfers spricht. Ich würde es nie übers Herz bringen, diese Kreationen wegzuwerfen, und bin längst zum Mutter-Messie, hm, muttiert: Die aus Wollresten gewebte Handy-Tasche. Kartoffelförmige Skulpturen aus bröckelndem Salzteig. Knubbelige Papierblumen. Das Aquarium im Schuhkarton, mit Papierfischen, echten Steinchen und Beleuchtung. Die Alu-Grillpfanne, gefüllt mit einem Gipsrelief, in der mein liebendes Mutterherz sofort die eiszeitliche Endmoräne erkennt, die einst den Platz für Berlin in den Sand gefräst hat. Die Schatzkiste aus Sperrholz, beklebt mit Kronkorken und kleinen Perlen, in der meine Quittungen fürs Finanzamt wohnen. Das unförmige Riesenzäpfchen aus Speckstein – ja, das ist ein Delfin! Zugegeben, ich werde auch morgen früh wieder genüsslich und erwartungsfroh dem Geschepper und Gefluche in der Küche lauschen, wo sich (hoffentlich) vier junge Menschen mit der Frage befassen, wie stark genau mein Kaffee sein soll, um sich kichernd auszumalen, wie ich mich freue, ganz überraschend dazu ein Brötchen und die Zeitung serviert zu bekommen. Ja, es würde mich deprimieren, zum Muttertag nur die als Glückwünsche getarnten Sonderangebote von Ikea aus dem Briefkasten zu fischen. Und letztes Jahr musste ich noch nicht einmal vortäuschen, erfreut, begeistert und gerührt zu sein. Da standen sie mit selbstbemalten T-Shirts an meinem Bett, auf denen zu lesen war: I love my mum . Damit sind sie tapfer den ganzen Tag herumgelaufen, sogar im Park!
    Und eigentlich stört mich am Muttertag ja auch nur, wie jede kleinste menschliche Regung, jedes Fitzelchen Liebe, jede Restsüße von durchaus einleuchtend zu kultivierender Dankbarkeit in ein Ware-gegen-Geld-Verhältnis, powered by emotion (vulgo: schlechtes Gewissen) verwandelt wird, an dem welche, die das gar nichts angeht, sich unbedingt bereichern wollen: Floristen, Pralinenhersteller, Telefonanbieter, Drogerieketten und jetzt halt auch noch die Internetbuchhändler.
    Ich weiß, das ist jetzt eine sehr sentimentale Spielart allwabernder, linksinspirierter, emotionsaffiner und konsumfeindlicher Kapitalismuskritik. Aber sollen wir wirklich nur am Muttertag gewürdigt werden? Weniger wäre mehr, finde ich, vom wenigen aber jeden Tag ein Stück mehr – und gerne aus dem non-profit-Bereich. Beispielsweise »Danke fürs Kochen« vorm Essen. Was meine Kinder tatsächlich sagen, bevor sie täglich mit Gabel und Messer auf das losgehen, was ich gekocht habe. Das machen sie nicht, weil ich sie dazu aufgefordert hätte, sondern ganz von selbst, seit mein Vater ihnen das vor vielen Jahren vorgemacht hat. Und das freut mich täglich noch mehr als herzförmige Blumengebinde, vorgestanzte Liebeserklärungen in Linoldruck und viel mehr als der ganze Krempel, der zum Verkauf steht und bloß das Portemonnaie attackiert. Das füttert täglich meine Lebensfreude, ohne dass irgendjemand Drittes einmal im Jahr ein großes Geschäft daraus macht. Uns allen das ganze Jahr Muttertag – das haben wir verdient!

Nie mehr nach Hause
    Kaum fahren wir los, ploppt seufzend der Deckel der Brotbox. An der ersten Ampel werden die Stullen ausgepackt. Bis zur zweiten sind sie weg. »Dauert es noch lange?«, erkundigt sich Nick, der eben noch am letzten Bissen schluckt. Wir sind gerade auf der Stadtautobahn angekommen und holen ersten Schwung – Richtung Norden. »Ist es noch weit?«, hakt Elise nach. Ich mal den Himmel blau für euch, meine Lieben: »Bald sind wir am Meer. Dann bauen wir eine tolle Sandburg. Wollt ihr jetzt mal eine schöne Kassette hören?« Noch während Alice gerade erst durch das Kaninchenloch ins Wunderland fällt, will Elise es schon wissen. »Was heißt’n hier bald? Wie bald? Gleich, oder was?«
    Das Auto ist proppenvoll gepackt: was für kalt, was für warm, was für nass und was zum Ersatz, mal vier Kinder, plus zwei Erwachsene, geteilt durch 14 Tage. Kuscheltiere, Fieberzäpfchen, Lieblingspuppe, rote Schippe, Sonnenhütchen, Regenjacken. Habe ich auch alles? Während ich bei 130 Sachen das weinende Baby hinter mir zu streicheln versuche, meiner großen Tochter das Keifen und der kleinen das Kneifen verbiete, den gefährlich schwankenden polnischen Lastwagen überhole und eine Runde Pommes für alle am Ziel verspreche, will mein Beifahrer, Vater meiner Kinder und künftiger Ex-Mann, wissen, ob ich seine Badehose eingepackt habe. Und stellt

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