My Story - Streng geheim - Aller guten Jungs sind drei
Grades werden, und er wurde infolgedessen zur No-Go-Area erklärt. Die Sache schien aussichtslos, bis Ignaz auf Zenzas Stadel verwies: Der liegt wie gesagt nachts gruslige fünfzehn Wegminuten entfernt.
In Zenzas Stadel also legte Franzl seinen Schlafsack aus und stellte drei vorausschauend mitgebrachte Mausefallen auf, denn die Tierchen vermehren sich so rasch, dass Zenzas Katze, so tüchtig sie als Jägerin auch ist, mit der Ausrottung hoffnungslos überfordert ist.
Franzl hat eine lange Strichliste seiner erlegten Beute an die Stadelwand gemalt, Hubertus wünscht ihm immer Waidmannsheil, worauf er ihm artig und wie sichâs gehört mit Waidmannsdank antwortet.
Die Frage der Unterkunft wurde für Franzl und Marta in jeder Hinsicht einwandfrei geregelt, und so warâs dann auch kein Problem, als Emir auftauchte: ebenfalls mit Ruck- und Schlafsack. Er legte ihn einfach neben Franzls und manchmal nächtigt sogar Ignaz bei den beiden. Das geschieht immer dann, wenn er keine Lust hat, auf Zenzas altem Moped ins Dorf runterzuknattern.
Der Tag, an dem die Murmeltiere in die Löcher sausten
I ch kenne meinen Emir und weiÃ, dass er nichts anbrennen lässt. Als Ignaz und Franzl am nächsten Tag zum Fensterln kamen und sich ihre Morgenküsse holten, nickte er uns kurz zu und verschwand eilig hinterm Haus. Verwundert schauten wir ihm nach, denn sein Aufzug war, um es mal vorsichtig auszudrücken, an diesem sehr warmen Sommermorgen extrem auffällig: Er trug einen dicken grünen Rolli, darüber seine beige Vliesjacke, Jeans, über die er eine kurze Hose gezerrt hatte, lange gestrickte rote Strümpfe, die bis übers Knie reichten und Ignaz gehören mussten, nur dass sie irgendwie ausgestopft aussahen, einen metallicblauen Mopedhelm, und um seinen Leib hatte er einen langen gestreiften Strickschal gewickelt. Er sah aus wie ein Marsmännchen, das bei H&M gelandet war und vor lauter Freude über das bunte Allerlei alles Greifbare übergestreift hatte und nun wie eine Tonne durch die Gegend wackelte. Denn Emir wackelte tatsächlich; die vielen Kleidungsstücke hinderten ihn nämlich am normalen Gehen und Sichbewegen.
Marta tippte sich wortlos an die Stirn. Ich wolltâs ihr gerade gleichtun, als ich die Sache checkte. »Leute!«, schrie ich. »Es geht los! Emir startet das Training am Berg! Das, was er anhat, ist sein Schutzanzug!«
Ignaz und Franzl rannten Emir bereits hinterher; Marta und
ich fuhren in die Jeans, schlüpften in ein Hemdchen, verzichteten aufs Zähneputzen, Gesichtwaschen und Kämmen, sausten barfüÃig hinters Haus und lehnten uns neben Ignaz und Franzl ans ordentlich aufgeschichtete Holz.
Emir stand vor dem felsigen Kletterübungshang. Seine Hände steckten irgendwo zwischen Bauch und Schal, und seinem Rücken sah man an, dass er sich überhaupt nicht wohlfühlte. Er stand und schaute und tat keinen Schritt vorwärts.
Plötzlich drehte er sich um. »Er gibt auf«, flüsterte Marta.
Tatsächlich. Nach einem langen letzten Blick schlich Emir gesenkten Kopfes Richtung Haus. Jeder, der den Felshang kennt, würde Emir verstehen. Es ist nämlich so, dass die Eiszeitgletscher vor vielen tausend Jahren beim Vorwärtsrutschen eine Menge Fels und Geröll vor sich herschoben. Das Zeug blieb natürlich liegen, als das Eis infolge der damaligen Klimaerwärmung abtaute. Aber Staub, Sand, Wind und Wetter haben die riesigen, die groÃen und die kleinen Geröllbrocken zusammengebacken, wodurch ein neues, absolut betonhartes und allgäutypisches Gestein entstand, das »Nagelfluh« genannt wird. Um einen solchen in Geröll eingebetteten Felsbrocken handelte es sich. Links und rechts von ihm wuchs Gras, weshalb man ganz bequem auch um den Fels herumgehen konnte - aber eben das wollte Emir ja nicht. Emir wollte sich das Schwindelgefühl abtrainieren, aber offensichtlich war der Fels einige Nummern zu groà für ihn.
»Mist!«, sagte Franzl und nieste. »Hatschi!« Und noch mal: »Hatschi!«
Emir zuckte zusammen. Er hob den Kopf, erblickte uns, erstarrte ⦠und machte auf der Stelle kehrt. Er wackelte zurück zum Berg und stapfte, ohne anzuhalten, drei Schritte aufwärts. Dann war das Gras zu Ende und der Fels begann.
Franzl nieste zum dritten Mal. Das dritte Hatschi war so laut,
dass es die Berge als Echo zu uns zurückschickten. »Tschi, tschi,
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