My Story - Streng geheim - Aller guten Jungs sind drei
lässt.«
»Ich habe Sorgen.«
»Echt? Welche Sorte Sorgen?«
»Ignaz-Sorgen sindâs.«
»Ich hab dir aber nichts getan.«
»Nein. Hast du nicht.«
Wir schwiegen und starrten geradeaus auf die Wiese. Die Rehe waren nicht da.
O. K., dachte ich schlieÃlich. Wenn ich jetzt den Mund nicht aufmache, sitzen wir morgen früh noch hier. Besser also, ich bringâs hinter mich.
»Es ist doch so, Ignaz«, sagte ich leise. »Bald sind die Ferien zu Ende. Dann muss ich wieder nach Hause.«
Ignaz nickte. »Na und? Stuttgart liegt nicht am Nordpol. Und am Südpol auch nicht.«
»Aber ich bin weg und du bleibst hier. Daran ist nichts zu ändern.«
»Das wussten wir schon immer.«
Darauf ging ich nicht ein. »Es bedeutet, wir müssten eine Fernbeziehung führen.«
»O! Das macht mir gar nichts aus!«, rief Ignaz.
»Aber mir macht das was aus. Ich führe keine Fernbeziehung, Ignaz.«
»Das ist nicht dein Ernst, Zippi.«
Ich schwieg. Mein Vater, der Manager ist, hat mir nämlich eingebläut, dass in kritischen Fällen Schweigen mehr sagt als tausend Worte. Er hatte recht. In Ignaz arbeitete es. »Seit wann weiÃt du das mit der Fernbeziehung?«
»Seit ein paar Tagen denke ich darüber nach.«
»Zenza sagt, man kann nur über was nachdenken, wenn es dazu einen Grund gibt.«
Die Sache war schwieriger als befürchtet. Klar gab es einen Grund. Der hatte sogar einen Namen: Emir.
»Willst mir den Grund nicht sagen?«
»Es ist die Fernbeziehung.«
Ignaz stand auf und stellte sich an das schmale Brett, das als Brüstung diente. Der Hochsitz wackelte. »Quatsch, Fernbeziehung! Zippi, sei doch ehrlich. Du bist nicht mehr in mich verliebt.«
»Das stimmt nicht. Ich bin schon noch in dich verliebt.«
»Aber nicht mehr so richtig.«
»Ignaz, geh da weg! Das Brett hält nicht viel aus!«
»Mir doch egal. In wen hast du dich jetzt verliebt? In Cas? Das glaube ich nicht.«
»Es ist die Fernbeziehung«, beharrte ich.
Mit Emir kann ich diskutieren, bei Ignaz biss ich mir die Zähne aus. Ignaz weigerte sich, Fernbeziehung als Grund anzuerkennen, und beharrte dickköpfig darauf, ich müsse mich in einen anderen Jungen verliebt haben. Womit er leider völlig richtiglag.
Ich versuchte es auf einem anderen Weg. »Ignaz, ich will hier nicht übernachten. Und bitte lehne dich nicht an das Brett. Sag einfach, du verstehst mich. Versprich mir, dass wir Freunde bleiben.«
»Ich will dich nicht als Freund.«
»Genau das ist unser Problem!«, rief ich. »Einem Freund kann man mailen, man kann ihm Briefe schreiben, kann telefonieren, faxen und sogar Brieftauben oder eine Flaschenpost schicken. Eines kann man nicht. Man kann ihn nicht küssen. Verstehst du, was ich meine?«
»Willst du mich küssen? Nur zu!« Ignaz stieà sich ab - aber der kleine Stoà war genau das bisschen zu viel. Das Brett war morsch, es gab nach, es brach entzwei, der Hochsitz wackelte, schwankte sogar, Ignaz schwankte, mit einem einzigen Satz hatte ich ihn gepackt - und gerettet. Nein, er fiel nicht fünf
Meter oder so in die Tiefe. Ich rettete ihn, indem ich ihn an den Hosenträgern festhielt.
Erwähnte ich, dass es ganz besonders hübsche Hosenträger waren? Wie die kurze Lederhose aus hellbraunem Leder gefertigt, mit einem Steg, den drei weiÃe Enzianblumen (aus weiÃem Leder) schmückten.
Klar, das Brett war futsch und nicht mehr zu retten. Doch was kümmerte Ignaz das Brett? Er rettete unsere Liebe. Er hielt mich fest und küsste mich, dass mir Hören und Sehen verging. Noch nie - mit gigantischem Abstand! - noch niemals in meinem dreizehnjährigen Leben war ich so geküsst worden. Seine ganze Liebe legte Ignaz in diese Küsse, und als er irgendwann nicht mehr konnte, flüsterte er: »So werden wir uns küssen, wenn wir uns fernbeziehungshalber nur selten sehen. Aber sag selbst, Zippi, sind es diese Küsse nicht wert?«
Meine Gefühle schwankten zwischen Ignaz und Emir wie der Hochsitz, als das Brett brach und Ignaz fast in die Tiefe segelte. Als mein Herz nicht mehr so wahnsinnig klopfte und mein Atem wieder einigermaÃen normal nach dem Prinzip AUS-EIN-AUS-EIN funktionierte, standen die Rehe auf der Wiese. Ich hatte sie nicht kommen sehen, aber sie ästen so friedlich wie immer.
»Die Ferien sind noch längst nicht zu
Weitere Kostenlose Bücher