My Story - Streng geheim - Doppelt verliebt haelt besser
ist keine Schande, das ist eben so. Aber du musst dich nicht sorgen, wir bringen dich rüber. Du machst die Augen zu, der Franzl geht auf der einen Seite, ich geh auf der anderen, du machst einen Schritt, dann den zweiten, den dritten, und so weiter. So schaffst duâs. Klar, du hast Angst vor dem ersten Schritt. Hätte ich an deiner Stelle auch. Aber jetzt komm. Je länger du wartest, desto gröÃer wird deine Angst. Das darf nicht sein. Kannst du aufstehen? Warte, ich nehme dir den Rucksack ab.«
»Gib ihn mir«, sagte ich schnell.
»Gut so, Emir. Du hast schon fast den ersten Schritt geschafft. Jetzt schau nur auf den Weg. Guck nicht links und nicht rechts, geh einfach so, als wärst du auf der StraÃe. Komm! Steh auf!«
Und Emir stand auf.
Die drei setzten sich langsam in Bewegung. Der Weg war an dieser Stelle absolut harmlos; er wand sich einen Grashang hoch und endete auf einem ebenen Plätzchen vor einigen Felsen, zwischen denen scheinbar kein Durchkommen war.
»Mach die Augen auf, Emir«, sagte Ignaz.
Emir machte die Augen auf. Er sah das Plätzchen, er sah, dass es eben war, er sah nicht den Bach und schon gar nicht die Brücke. »Ich will nicht stehen bleiben. Ich will weiter.«
»Gut so. Das ist sehr gut.«
Meine Hochachtung vor Ignaz wuchs und wuchs. Woher wusste er, dass Emir jetzt keinen Blick für das Plätzchen und die tolle Schlucht hatte? Woher wusste er, dass Emir die Angelegenheit hinter sich bringen musste, bevor ihn die Angst einholte?
»Komm, Emir.« Die drei wanden sich durch einen Spalt zwischen den Felsen, Marta und ich folgten - und dann lag der Weg vor uns. Wer auf einem solchen noch nie gegangen, wem so was total fremd war, der konnte wohl Angst bekommen! Als schmales Band verlief er mitten in der Wand. Unten schäumte der Bach, oben musste man immer wieder den Kopf einziehen, damit man nicht an den Fels stieÃ. Der Stein war rutschig und glitschig, und da, wo man auf hölzernen Stufen ein steiles Stück bezwang, musste man ganz besonders aufpassen. An einer Seite konnte man sich am Fels entlangtasten, an der anderen, der Bachseite, war ein Geländer. An einer Stelle lagen einfach zwei schmale Planken überm Abgrund; zwischen dem Spalt sah man tief hinunter aufs schäumende Wasser.
Emir hielt die Augen geschlossen. Ignaz ging vor ihm und hielt ihn an der einen Hand, Franzl ging hinter ihm und hielt die andere Hand.
Und dann standen wir vor der Brücke. »So, Emir«, sagte Ignaz, »jetzt können wir nebeneinander gehen.«
»Die Brücke?!«
»Nur ein paar Schritte, dann sind wir drüber«, sagte Ignaz leise. »Komm, nicht stehen bleiben.«
Da machte Emir einen Fehler. Ich sah ganz genau, wie er die Augen öffnete - »Nein!«
»Komm.«
»Ich kann nicht!« Emir zitterte. »Ich - kann - nicht!«
»Du kannst.«
»Nein!!!«
»Nachher, wenn wir drüber sind, schaust du zurück, Emir«, sagte Ignaz. »Dann siehst du, dass du das Stück, wo es ganz tief runtergeht, schon längst hinter dir hast. Die Brücke ist nicht schlimm. Komm.«
»Nein!!«
»Glaub mir, das Schlimmste liegt längst hinter dir. Die Brücke ist ein Klacks.«
»Das ⦠das Schlimmste habe ich hinter mir?«
»Die Stelle hast du vorhin nicht gesehen. Du hast sie locker geschafft. Komm, Emir.«
»Stimmt das?«
»Ganz sicher.«
Und Emir ging. Geführt von Ignaz und Franzl tat er den ersten Schritt, dann den zweiten â¦
Vom Hang herunter strömte das Wasser und riss an jeder Kurve immer wieder etwas von der Uferkante ab, aber so richtig zur Sache gingâs erst an der sehr steilen Stelle - und genau da spannte sich die lange Brücke von Felswand zu Felswand. Hoch hing sie überm Abgrund; unter uns toste und wirbelte die Starzlach, an einer Stelle hatte sich ein dicker Baumstamm zwischen den Felsen verkeilt, gerade hob
ihn ein Wasserschwall hoch, er wirbelte herum, bäumte sich auf, platschte ins schäumende Wasser zurück, tauchte unter und wieder auf, knallte gegen den Fels, kippte über einen Steinbrocken und brauste in rasender Geschwindigkeit klammabwärts.
Ufff! Einen Sturz in diese Tiefe würde kein Mensch überleben â¦
Als Emir sicher die andere Seite erreicht hatte, führten ihn Franzl und Ignaz vorsichtshalber den Hang bis zur Hochwiese hinauf. Erst da öffnete er zögernd die Augen und sah um
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