My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn
verbracht, doch fast immer war noch jemand dabei gewesen. Meistens Mehli. Plötzlich fragte ich mich, ob ich überhaupt den Mund aufbringen würde, wenn ich mit ihm allein war. Was, wenn uns gar nichts einfiel, worüber wir sprechen konnten? Zugegeben, das war Schwachsinn, denn wir trafen uns ja, um zu lernen. Allein das gab wohl schon Gesprächsstoff genug. Trotzdem war mir ein wenig flau im Magen.
Auf dem Weg zu mir nach Hause machten wir an einer Bäckerei halt und nahmen uns ein paar Stück Bienenstich und zwei Flaschen Cola mit. Das Gehirn braucht schlieÃlich Nahrung.
»Mom?«, rief ich, als ich zur Tür hereinkam. »Kann Finn heute mit uns essen?«
Mom kam aus der Küche und blieb im Türstock stehen, ein Handtuch zwischen den Fingern. Für einen Moment musterte sie Finn von oben bis unten, und ich fürchtete schon, dass die erste peinliche Bemerkung nicht lange auf sich warten lassen würde, doch dann nickte sie. »Sicher.« Sie sah zu Finn. »Du bist uns herzlich willkommen.«
»Danke, Frau Berg.«
Und höflich ist er auch noch. Ich sah den Gedanken in Moms Augen aufblitzen, immerhin sprach sie es nicht aus. Stattdessen sagte sie: »Marius ist mit seinen Kumpels unterwegs. Wir haben also mehr als genug.«
Leider hielt Mom mit ihrer Zurückhaltung nicht lange durch. Wir saÃen kaum am Tisch, da begann sie Finn schon mit Fragen zu löchern. Wohnst du schon immer in München? Hast du Geschwister? Wie gefällt es dir an der Schule? Unternimmst du oft etwas mit Charlie? Die Litanei war endlos. Jeder meiner Einbecker Freunde hätte früher oder später genervt reagiert oder wäre bei einigen Fragen womöglich auch peinlich berührt gewesen. Nicht so Finn. Er beantwortete alles - das meiste davon auch noch ziemlich ausführlich. Während des gesamten Essens bestritten Mom und er die Unterhaltung. Ich saà nur da und lauschte gespannt auf seine Antworten. Alles, was er von sich gab, rückte ihn mir ein Stück näher und gab mir das Gefühl, ihn besser kennenzulernen. Und immer mehr zu mögen. So angeregt, wie Mom mit ihm quatschte, ging es ihr nicht anders. Sie strahlte. Entweder dachte sie daran, Finn zu adoptieren, oder sie plante in Gedanken bereits unsere Hochzeit.
»Wir müssen jetzt lernen«, sagte ich, als wir mit dem Essen fertig waren.
Mom stellte die Teller in die Spüle. »Du bist uns jederzeit willkommen, Finn.«
»Danke.«
Bevor Mom ihn noch einmal in ein Gespräch verwickeln konnte, packte ich ihn bei der Hand und zog ihn hinter mir her. Erst als wir oben ankamen, bemerkte ich, dass ich immer noch seine Hand hielt, und lieà sie hastig los.
»Mist!«, rief ich, um von meiner Verlegenheit abzulenken. »Unsere Sachen stehen noch unten!« Und schon war ich an ihm vorbei, um die Taschen zu holen. Gerade als ich die Tüte mit dem Kuchen nehmen wollte, stand er plötzlich neben mir.
»Gib mir das«, sagte er und nahm mir schon unsere Taschen
ab. »Nimm du den Kuchen - und vielleicht Teller und Gläser.«
Daran hätte ich auch denken können!
Finn wartete im Gang, bis ich das Geschirr aus der Küche geholt hatte, dann folgte er mir ein zweites Mal nach oben. »Ich bin echt froh, dass du mir hilfst«, sagte ich, als ich die Tür zu meinem Zimmer mit dem Fuà aufstieÃ. Ein wenig zu schwungvoll, denn die Tür prallte gegen die Wand und kam mir ziemlich rasant wieder entgegen. Zum Glück fing Finn sie auf, bevor sie mich entweder an der Nase treffen oder mir die Teller aus der Hand schlagen konnte. Um ihn nicht merken zu lassen, wie peinlich mir mein Missgeschick war, plapperte ich schnell weiter: »In Einbeck waren wir in einigen Fächern wohl ziemlich hintennach.« Ganz zu schweigen von der Woche, die ich zu Schulbeginn wegen meiner gespielten Krankheit verpasst hatte. »Da kann ich echt Hilfe brauchen.«
»Ich bin froh, wenn ich nicht allein lernen muss«, meinte Finn. »Zu zweit ist es weniger langweilig.«
Ich dachte, er wolle noch mehr sagen, doch plötzlich schwieg er. Als ich mich umdrehte, stand er in der Tür und sah sich mit ungläubigem Blick in meinem Zimmer um.
»Für eine Gruft ist das ziemlich gemütlich«, meinte er nach einer Weile.
»Ãberrascht?«
Seine Augen streiften immer noch durch den Raum. »Nun ja, ich hätte es mir irgendwie ⦠dunkler vorgestellt. Mehr Schwarz.
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