My Story - Streng geheim - Verrueckt nach Mark
Stunde der Zeugnisausgabe.
Frau Sobius, heute mit völlig zerzausten Haaren, als sei sie an einem Flugzeugtriebwerk vorbeigelaufen, verteilt mit einem Blick, den man nur als irre bezeichnen kann, die Giftblätter. Da kann man mal sehen, was unsere Jungs anrichten mit ihren Attacken. Oder sind diese Frisur und ihr Blick nur ihre Art, sich auf die Ferien zu freuen? Ist sie vielleicht ins Gothic-Lager gewechselt?
Als Frau Sobius mir mein Zeugnis gibt, kommt die Bemerkung: »In Sport und Mathematik könntest du etwas aktiver werden.«
Hallo? Klar hält sie mir unter die Nase, dass ich kein Matheass bin, aber was interessiert sie denn meine Note in Sport? Nun ja, vielleicht wäre mein Sprint am vergangenen Sonnabend anders ausgegangen, wenn ich schneller und wendiger gewesen wäre. Aber selbst wenn ich regelmäÃig ins Fitnessstudio ginge, würde aus mir nie eine Sportskanone werden. Meine Stärken liegen echt woanders.
Das war es aber auch schon. Sie geht weiter, offenbar bin
ich nicht das wirkliche Problemkind hier. Nachdem sie mich wenigstens einigermaÃen normal angesehen hat, werden ihre Augen wieder glasig, denn nun muss sie zu Pit und Konsorten. Die Ermahnungen dort fallen etwas umfangreicher aus und reichen vom Bedauern, dass es keine Kopfnoten mehr gibt, bis hin zu Drohungen, dass im nächsten Jahr nicht mehr so viele Augen zugedrückt werden.
Die Hoffnung, früher aus der Stunde gehen zu können, wird durch diese langen Ermahnungen natürlich zerschlagen. Ich erwische mich, wie ich anfange, in mein Hausaufgabenheft ein Gesicht zu zeichnen.
Und wessen Gesicht? Marks natürlich. Bine hat mit ihrem Liebesvirus wohl recht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand anderes als Mark eine geeignete Medizin für mich ist.
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Nach der Zeugnisausgabe geht im Pausenhof dann das groÃe Verabschieden los. Das ist beinahe so etwas wie ein Ritual. Selbst Leute, mit denen ich im ganzen Jahr, wennâs hoch kommt, insgesamt zehn Sätze gewechselt habe, wünschen mir und meinen Freundinnen schöne Ferien. Bianca natürlich nicht, die muss sich immer noch von meiner Fischstäbchenattacke erholen. (Gerächt hat sie sich noch nicht und jetzt ist es dazu auch zu spät.)
»Treffen wir uns heute Nachmittag noch einmal?«, fragt Nico an der Bushaltestelle, nachdem ich was von »standesgemäà verabschieden« gemurmelt habe. »Oder meintest du mit standesgemäÃer Verabschiedung etwa, dass du bei uns aufkreuzen willst?«
»Wäre dir das denn nicht recht?«, gebe ich grinsend zurück. In Wirklichkeit habe ich das natürlich nicht vor, denn ich weià ja, wie es kurz vor Reisebeginn aussehen kann.
Vor zwei Jahren war ich mit Mama eine Woche an der Ostsee, in einem piekfeinen Hotel auf der Insel Rügen. Natürlich war es sehr schön dort, aber der Stress vorher war der reinste Wahnsinn. Wir haben Taschen gepackt, als würden wir gleich eine ganze Weltreise machen. Dabei war Sommer, und ich meine ein richtiger Sommer und nicht einer von diesen grün angestrichenen Wintern, und wir hätten auch in Binz Klamottenläden gefunden. Aber nein, Mama wollte ohne ihre bewährten Teile nicht los und da hatten wir den Salat. Ständig ist man über irgendwelche Taschen gestolpert, und alles ins Auto tragen hätte gereicht, um aus uns zwei Schwarzeneggerinnen mit Muskeln aus Stahl zu machen â¦
Aber zurück zu Nico. Die sieht mich immer noch an, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Offenbar ist heute der einzige Tag meines Lebens, an dem meine Freundinnen mich mal ernst nehmen.
»Keine Bange«, beruhige ich sie schnell. »Ich statte dir morgen früh keinen Besuch ab. Ich will doch nicht Zeuge einer wilden Knutscherei zwischen deiner Ma und ihrem Lover werden! Das würde mich total den Respekt vor ihnen verlieren lassen.«
Nico wirkt erleichtert, und ich bin schon fast versucht anzukündigen, dass ich stattdessen bei Bine einmarschiere und mir einen Spaà daraus mache, die Kofferinhalte zu vertauschen. (Ihr Vater, der als Beamter Ordnung gewohnt ist, würde wahnsinnig werden!) Aber ich habe ihr ja schon genug angetan, indem ich ihre Annonce in Bausch und Bogen verdammt habe.
»Was haltet ihr davon, wenn wir heute Nachmittag noch einmal durch die Stadt laufen und vielleicht ein Eis essen? Wir könnten uns bei den Hackeschen Höfen treffen und uns in den Boutiquen und
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