Myanmar - Stefan Loose Reisefuehrer
Sehenswürdigkeiten nur gegen einen hohen, (un) menschlichen Preis zu haben gewesen ist: viel Blut, Schweiß und Tränen – durch Zwangsarbeit und Zwangsumsiedlungen, wie sie der westlichen Welt schon seit Langem unbekannt sind!
Umzug für die Uferstraße
Wer an den Uferbänken des Ayeyarwadys nach dem viel beschriebenen Ort sucht, an dem behäbige Wasserbüffel wie zu Urzeiten dicke Teakholz-Stämme aus dem Wasser gezogen haben, wird vergeblich danach Ausschau halten. Die Menschen, die hier einst wohnten und arbeiteten, haben sie mitgenommen und diese Aufgabe Traktoren überlassen. Sie leben jetzt – unter verbesserten hygienischen Bedingungen – im Distrikt Yadanabon und betreiben Landwirtschaft. Zur Jahrtausendwende mussten sie ihre seit Generationen angestammte Heimat verlassen, um einem effektiveren Hochwasserschutz und einer Uferstraße nach Sagaing Platz zu machen. Wie zehn Jahre zuvor auch über 5000 Menschen, die sich zwischen den Pagoden in der Ebene von Bagan angesiedelt hatten. Zwangsumsiedlungen gab es in Birma sogar schon bei der Gründung von Mandalay: Gegen ihren Willen und unter Androhung der Todesstrafe waren die rund 100 000 Einwohner von Amarapura einst gezwungen worden, König Mindon in die neue, rund 5 km entfernte Residenz zu folgen.
Wühlen in den Wassergräben
Auch einige Bewohner im Bereich der Stadtbefestigungen mussten ihre Behausungen 1995 innerhalb von fünf Tagen eigenhändig abreißen und in eine neue, etwa 50 km entfernte Gegend übersiedeln, damit der Anlage der heutige, parkartige Charakter verpasst werden konnte. Rund 1000 Häuser sind der Spitzhacke zum Opfer gefallen. Doch viele Bewohner Mandalays betrachten diese „Stadtverschönerung“ aus anderen Gründen mit gemischten Gefühlen: Sie mussten – zusammen mit Gefangenen in Ketten – Zwangsarbeit leisten, um die Wassergräben vom Schlamm zu säubern und von Hand neu zu befestigen. Jede Familie wurde gezwungen, für einen Tag im Monat einen Angehörigen als Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen – oder sich durch die Bezahlung einer anderen Person freikaufen. 20 000 Menschen aus der Stadt und Umgebung (anfangs auch Reisbauern) sollen auf diese Weise zum Einsatz gekommen sein. Sogar einige Klosteranlagen sind von derartigen, zynisch als „Freiwillige“ benannten Menschen restauriert worden.
Einsatz für die Infrastruktur
Denn nach Jahrzehnte währender Isolation wollten die Militärs ihr Land auf das „Visit Myanmar Year 1996“ vorbereiten, das bis zu 300 000 Touristen und vor allem Devisen ins Land bringen sollte. Ohne den massiven Ausbau der Infrastruktur wäre die Regierung gar nicht in der Lage gewesen, die erwünschten Besucherscharen unterzubringen oder zu transportieren. So wurden auch beim Bau von Flughäfen (wie in Kawthoung), Straßen (wie von Yangon nach Mandalay), Brücken oder Eisenbahnlinien Zwangsarbeiter eingesetzt. Allein 120 000 Menschen sollen zum „freiwilligen Arbeitseinsatz“ am Bau der 180 km langen Eisenbahntrasse von Ye nach Dawei herangezogen worden sein. Mehrere Hundert sollen das aufgrund von Krankheit, Erschöpfung, Arbeitsunfällen oder Repressalien der Bewacher nicht überlebt haben. Ebenfalls in die internationale Kritik geriet der Bau der „Yadana Gas Pipeline“, die von der französischen Ölgesellschaft „Unocal“ und dem amerikanischen Konzern „Total“ teilweise mit Zwangsarbeit durch den Dschungel des Mon-Staats nach Thailand geschlagen worden ist.
Unglückselige Tradition
Doch Zwangsarbeit und Zwangsumsiedlungen haben in Birma eine lange, unglückselige Tradition. Allzeit war die Bevölkerung der Willkür ihrer Herrscher ausgesetzt. Diese zwangen ihre Untertanen zu Fron- und Kriegsdiensten oder ließen ihre gestifteten Klöster von Sklaven versorgen. Manch ansehnliche Pagode entstand im Blut und Schweiß der rechtlosen Bauern. Doch bei aller westlicher Empörung wird schnell vergessen, dass Zwangsarbeit auch während der Kolonialzeit Konjunktur hatte. Zehntausende mussten beim Ausheben der Kanäle im Ayeyarwady-Delta schuften. Für die Gestaltung des Botanischen Gartens in ihrer Sommerfrische Maymyo (Pyin U Lwin) setzten die Briten sogar Zwangsarbeiter aus der Türkei ein.
(Ab)Hilfe durch Auslandsecho
Immerhin hatten die Proteste von internationalen Arbeitsverbänden, UN-Menschenrechtsorganisationen und Touristik-Konzernen sowie das negative Echo der Auslandsmedien letztendlich Erfolg: Spätestens seit die Regierung im Jahr 2000 eine Verordnung erließ, in der
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