Myanmar - Stefan Loose Reisefuehrer
fehlen und formelles Lernen keinen hohen Stellenwert besitzt.
Myanmars Schulsystem besteht aus drei Stufen: Primary School (Vorschule plus 1.–4. Klasse), Lower Secondary oder Middle School (5.–8. Klasse) und Upper Secondary oder High School (9.–10. Klasse). Viele Schüler, vor allem Mädchen, brechen jedoch vorzeitig die Schule ab. In der Middle School sind gerade noch 46,4 % angemeldet.
Das heutige Bildungssystem geht auf die Kolonialzeit zurück, als das traditionelle Lernen im Kloster immer mehr verdrängt wurde. Ab den 1870er-Jahren entstanden vielerorts Schulen, die meist unter der Obhut christlicher Missionsgesellschaften standen. Ihre Zahl wuchs schnell auf 17 000 an. 1920 öffnete als erste höhere Bildungseinrichtung die University of Rangoon ihre Pforten. Sie sollte bald zum Sammelbecken für die Unabhängigkeitsbewegung werden. Unter der Ne-Win-Diktatur erfolgte ein kontinuierlicher Niedergang im Bildungsbereich. Die völlige Isolation des Landes hatte auch für das Ausbildungssystem fatale Folgen. Die besten Köpfe verließen das Land, denn Karriere konnten nur diejenigen machen, die eine militärische Laufbahn einschlugen.
Auch die jetzige Regierung zeigt nur oberflächlich ein Interesse an der Bildung. Sie gibt bei Weitem mehr Geld für Waffen als für Schulen aus. Die Ausbildung und Bezahlung der Lehrer (etwa 10–25 € monatlich) ist dermaßen miserabel, dass qualifizierte Lehrkräfte in andere Berufe abwandern. Schulen bleiben auf dem Land oft über längere Zeit vakant. Aus Angst vor Protesten schloss die Regierung zwischen 1991 und 2000 acht Mal die Universitäten. Viele Studiengänge können nur im Fernstudium absolviert werden. Damit soll verhindert werden, dass Studenten sich politisch organisieren.
Auch wenn sich die Zahl der Universitäten und Colleges auf landesweit 156 erhöht hat, fehlt es ihnen an finanziellen Ressourcen und Qualität. Zahlungskräftige Eltern lassen ihre Kinder im Ausland studieren – viele kehren danach nicht mehr zurück. Um ihre Berufschancen zu verbessern, nehmen viele junge Birmanen privaten Englischunterricht oder belegen Computerkurse. Zu deren Finanzierung arbeiten sie in Kneipen oder Karaoke-Bars – nicht wenige junge Frauen auch als Prostituierte. Die Militärregierung hat eine verlorene Generation hinterlassen; Birma verliert zunehmend den Anschluss an die Nachbarländer. Und das in einer Zeit, in der Bildung für die Entwicklung eines Landes eine immer wichtigere Rolle spielt.
Geschichte
Wie ein roter Faden ziehen sich zwei Aspekte durch die birmanische Geschichte: der Buddhismus und die ethnische Vielfalt . Es gab kaum einen Herrscher, der sich nicht der Nachwelt durch den Bau einer buddhistischen Pagode in guter Erinnerung behalten lassen wollte. Selbst die gegenwärtige Militärregierung wendet Unsummenfür die Renovierung und den Neubau von Tempeln auf. Die berühmte
Glaspalastchronik
– sie wurde 1829 von König Bagyidaw in Auftrag gegeben – leitet die Herkunft der Birmanen sogar vom Stamm Buddhas, den Sakya, ab. Ein Zweig dieses Stammes soll vor der Zeitenwende aus Indien eingewandert sein und am Oberlauf des Ayeyarwady bei Tagaung das erste Königreich auf birmanischem Boden gegründet haben. Vor allem aber die ethnische Vielfalt prägte das Auf und Ab der Geschichte. Ein mächtiges birmanisches Reich wie etwa jenes von Bagan, der Toungoo- oder der Konbaung-Dynastie hatte die Unterwerfung anderer Volksgruppen zur Folge. Zerfiel es, so erstarkten wiederum die unterdrückten Völker. Diese Wechselspiele von Macht und Zerfall lassen sich in der Geschichte der Mon und Rakhine sehr gut studieren und wirken bis heute fort.
Die Probleme, die mit dem Vielvölkerstaat verbunden sind, sind nach wie vor ungelöst und gehören zu den größten Herausforderungen der birmanischen Nation.
Frühe Staaten (bis 11. Jh.)
Über die prähistorische Besiedlung Birmas ist nahezu nichts bekannt. Vermutlich waren hier wie auch in anderen Teilen Südostasiens ab dem 2. Jt. v. Chr. Protomalaien und Negritos verbreitet. Sie wurden in den ersten vorchristlichen Jahrhunderten von Völkern verdrängt, die aus Südwestchina und dem tibetischen Hochland entlang der Flüsse nach Süden zogen. Zu den bedeutendsten zählen die Pyu und die Mon, denen die ersten eigenständigen Staatsgebilde auf birmanischem Territorium zu verdanken sind. Bei diesen „Staaten“ handelte es sich nicht um zusammenhängende Gebiete, sondern um lose Stadtverbände. Es kommt nicht von
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