MYLADY SOMMERBAND Band 03: HERZKLOPFEN IM ROSENGARTEN / LADY ODER KURTISANE? / (German Edition)
machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich besuche seit dem Tod deines Vaters keine Gesellschaften mehr. Es ist seltsam, dass die Leute sich nicht daran erinnern.“
„Sie erinnern sich schon, aber sie schicken dir Einladungen in der Hoffnung, du würdest deine Meinung ändern und doch aus dem Haus gehen.“
Sie hörte kurz auf, sich mit dem Taschentuch die Augen zu betupfen. „Dein Ton gefällt mir gar nicht, Edward. Du weißt, wie sehr ich unter dem Tod deines Vaters leide. Aber es scheint nicht mehr Brauch zu sein, dass eine Frau um ihren Mann trauert.“
Edward seufzte. „Niemand sagt, du sollst nicht trauern, Mutter. Alles hat jedoch seine Grenzen. Wir wissen, wie sehr Vater dir fehlt, aber du kannst nicht von uns erwarten, dass wir aufhören zu leben, weil du beschlossen hast, genau das zu tun.“
„Das ist nicht gerecht!“
„Nein? Über viereinhalb Jahre sind vergangen, Mutter. Auch ich habe meinen Vater geliebt, doch nichts wird ihn uns zurückbringen. Und soweit es mich angeht, liegen meine Verpflichtungen, so wie auch deine, bei den Lebenden.“
„Ich habe keine Verpflichtungen mehr.“
„Unsinn! In nur wenigen Wochen wird Ellen das Haus hier verlassen. Du könntest wenigstens versuchen, diese Zeit für sie so angenehm wie möglich zu gestalten.“
Seine Mutter wandte das Gesicht ab. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“
„Nein?“ Edward holte ihren Brief hervor. „Ich rede davon, dass du ihr eine Nachricht schickst, in der du sie anflehst, nach Hause zu kommen und dir Gesellschaft zu leisten, obwohl du weißt, dass sie auf einer Soirée ist.“
Lady Garthdale hob trotzig das Kinn. „Ich bin immerhin ihre Mutter und habe ein Recht auf ihre Ergebenheit.“
„Die sie dir nur allzu willig schenkt, Mutter, das weißt du. Doch hast du kein Recht, sie jeden Moment ihrer freien Zeit für dich zu fordern. So viel Ergebenheit ist dir niemand schuldig.“
Plötzlich verzog sie das Gesicht, als würde sie gleich weinen. „Warum greifst du mich so unbarmherzig an, Edward? Ich habe alles getan, um euch glücklich zu machen, dich und deine Schwestern. Und so wird es mir gedankt.“
Resigniert stieß er einen tiefen Seufzer aus. „Mutter, Barbara und ich haben unser eigenes Leben, und Ellen wird auch bald ein neues beginnen.“ Er erhob sich langsam. „Also schlage ich vor, dass du dir überlegst, was du mit dem Rest deines Lebens machst, damit es nicht langweilig und sehr einsam wird.“
Damit ließ er sie allein und schloss die Tür leise hinter sich, obwohl er noch hörte, wie seine Mutter weinte und ihm drohte, sie werde ihn nie wieder empfangen. Er schenkte dem keine Beachtung, denn sie gehörte zu jenen Frauen, die ihre theatralischen Ausbrüche dazu benutzten, in anderen Menschen Schuldgefühle zu wecken. Das war schon so gewesen, als sein Vater noch lebte, und nichts hatte sich jetzt – viereinhalb Jahre nach seinem Tod – daran geändert.
In zu finsterer Laune, um direkt zur Soirée der Townleys zurückzukehren, machte Edward zunächst einen Abstecher zu seinem Klub. Er brauchte Zeit, um seiner Wut Herr zu werden. Später würde er noch kurz vorbeischauen, um Ellen nach Hause zu begleiten.
Unwillkürlich dachte er einen Moment an die junge Frau, die er vorhin gesehen hatte. Zwar hätte er nicht sagen können, wer sie war, doch etwas an ihr erschien ihm vertraut, sodass er sie länger ins Auge gefasst hatte, als es die Höflichkeit erlaubte.
Während sie sich mit Mrs. Mitchell unterhalten hatte, fiel ihm auf, wie ungekünstelt sie sich benahm. Sie strahlte Warmherzigkeit und Aufrichtigkeit aus, und ihr Lächeln war genauso reizend wie ihre ganze Art. Danach zu urteilen, wie Mrs. Mitchell die Hände der Dame hielt, mussten sie sich sehr nahestehen, und doch konnte er sich nicht erinnern, sie jemals in Gesellschaft gesehen zu haben.
Ständig begegnen mir geheimnisvolle junge Damen, dachte er amüsiert und musste an die Frau im Park denken. Jenny.
Seltsam, dass er nach drei Begegnungen nicht mehr von ihr wusste als ihren Vornamen. Er konnte nicht sagen, wo sie wohnte, wie ihr Nachname lautete oder zu welcher Familie sie gehörte. Ebenso wenig wusste er, ob sie Geschwister hatte, ob sie von vornehmer Abstammung war oder die Gesellschafterin einer reichen Verwandten.
Noch erstaunlicher allerdings war, wie wenig es ihm ausmachte. Zumindest nicht so viel, dass er ihre Beziehung gefährden wollte, indem er Jenny Fragen stellte. Sehr wahrscheinlich würde sie ihm sowieso keine
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