MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
offenbart hat, bevor du sie geheiratet hast. Sie hat versucht, mich zu verführen, weißt du?“
Allen, der sich gerade das Kinn rieb, erstarrte. „Sie hat versucht, dich zu verführen?“
„Als ich sie besucht habe, um ihr zur Verlobung zu gratulieren, hat sie mich eingeladen, mit ihr im Park spazieren zu gehen. Dort hat sie sich mir an den Hals geworfen und gemeint, wie froh sie doch wäre, dass wir uns bald so nahestünden. Ich hab dir das nie erzählt – du warst so blind vor Liebe, dass du es mir vermutlich nicht geglaubt hättest. Susanna Davies hat es nicht gereicht, dich in ihren Fängen zu wissen, sie wollte, dass jeder Mann vor Begehren verrückt nach ihr ist.“
Eine Frau, die einen Mann verrückt vor Begehren machte? Allen presste die Lippen zusammen, um Thomas nicht das eine oder andere über seine kostbare Meredyth zu erzählen. Aber obwohl Meredyth Wellingford nicht die Dame war, für die jeder sie hielt, war er doch ein Gentleman – und er hatte sie seiner Diskretion versichert. Wieder überrollte ihn eine Woge der Empörung, als er daran dachte, wie schlecht sie ihn behandelt hatte.
„Ich entschuldige mich für meine Taktlosigkeit“, sagte er, als er wieder reden konnte.
„Es ist eher deine üble Laune, die uns hier allen zusetzt“, erklärte Thomas. „Warum kommst du nicht einfach darüber hinweg oder gehst zu ihr, entschuldigst dich und fängst noch einmal von vorn an?“
„Ah, der kluge Rat des erfahrenen Gentleman von siebzehn Lenzen“, gab er zurück.
„Ich mag weder alt noch erfahren sein“, meinte Thomas, „aber ich bin auch kein selbstsüchtiger Tölpel, der seine schlechte Laune an der ganzen Familie auslässt.“
Dieser gut gezielte Pfeil traf ihn dann doch. Sein Bruder hatte vielleicht recht. „Bitte übermittle Mama und Papa meine Entschuldigung“, erwiderte Allen, bei dem sich unter all dem Elend, das ihm wie eine nasse Decke über der Seele lag, das schlechte Gewissen regte. „Ich will euch sogleich von meiner anstößigen Gegenwart befreien.“
Während Thomas seufzte und ihn freundlich einen Dummkopf hieß, wandte Allen sich um und lief aus dem Raum.
Der graue Morgennebel war strömendem Regen gewichen, der von einem bitterkalten Wind gepeitscht wurde. Angetrieben von rasendem Zorn und Kummer, begab Allen sich auf einen Ritt über den Besitz, zwang sein zitterndes Pferd über die Felder, die alle verlassen dalagen, denn die Landarbeiter waren klug genug, die Arbeit auf einen günstigeren Zeitpunkt zu verschieben.
Schließlich ritt er erschöpft, durchnässt bis auf die Knochen und vollkommen ausgekühlt nach Hause. In der Trostlosigkeit, die auf seinen wilden Ausbruch von Aktivitäten folgte, fragte er sich, warum es ihm so schwerfiel, Meredyth Wellingford zu vergessen. Bei Susanna hatte er seine Familie selbst im größten Kummer niemals so angefahren.
Komm darüber hinweg, hatte Thomas gemeint … oder fang noch einmal von vorne an. Sehnsucht stieg in ihm auf. Ach, wenn er nur die Uhr zurückdrehen könnte zu jenem Moment im Witwenhaus, als er sich für den glücklichsten Mann auf Erden gehalten hatte! Als er innerlich gejubelt hatte, weil er eine Frau für sich gewonnen hatte, in der sich die Tugenden einer Dame mit der Sinnlichkeit einer Sirene verbanden. Eine Frau, die ihn ein Leben lang überraschen, entzücken und bezaubern würde.
Bis sie diese vernichtende Bemerkung über ihr „amüsantes Intermezzo“ geäußert hatte und dass sie sich sehr gut unterhalten gefühlt habe. Wieder wallte Wut in ihm auf, dass sie ein für ihn so welterschütterndes Ereignis als eine nachmittägliche Vergnügung abgetan hatte.
Meredyth Wellingford war eine liederliche Frau, egal was Thomas glaubte. Welche Tugenden sie sonst besitzen mochte, er würde sich das Elend, eine unmoralische Frau zu heiraten, genauso wenig antun, wie er sein Erbe mit einer Hypothek belasten würde.
Doch dann fiel ihm eine andere Bemerkung von Thomas ein, und er blieb abrupt stehen.
Der Umstand, dass Susanna sich Thomas genähert hatte, der damals noch ein Junge von sechzehn gewesen war, schockierte ihn nicht länger. Wie er gesagt hatte, eine liederliche Frau würde früher oder später ihren wahren Charakter offenbaren. Aber bei all den Erfahrungen, die er vor jenem Nachmittag mit Meredyth gemacht hatte, hatte nichts darauf hingedeutet, dass sie eine liederliche Frau sein könnte. Von all den Männern, die er mit ihr gesehen hatte – Arbeiter, Bauleiter, Pächter, Nachbarn –, hatte
Weitere Kostenlose Bücher