MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
Hände mit den Handflächen nach unten auf der gescheuerten Tischplatte aus. Carleton mochte kein guter Mensch sein, doch aus irgendeinem Grund hatte Gott ihn mit dem Leben davonkommen lassen. Sie hatte ihn nicht aufgenommen und gepflegt, um jetzt seine Henkerin zu werden.
Apropos pflegen, es wurde allmählich Zeit, dass sie ihrem Patienten noch ein wenig zu essen einflößte. Mit unbewegtem Gesicht ging sie zu dem Topf, der auf dem Herd köchelte, schöpfte eine Portion Hühnerbrühe in einen Teller und marschierte damit zum Wohnzimmer.
Auf der Schwelle blieb sie stehen, und das Tablett fiel ihr beinahe aus den Händen. Denn Carleton war wach und bei klarem Verstand.
„Helena“, knurrte er sie an und lehnte sich bleich und starr vor Feindseligkeit auf dem Sofa zurück.
Sie hatte sich auf diesen Augenblick gefasst gemacht. Selbst wenn er sie im Delirium angelächelt und gesagt hatte, sie sei ein Engel, hatte sie sich vor Augen geführt, dass er das nur sagte, weil er keine Ahnung hatte, wer sie war.
Wie froh sie war, dass sie nicht der Versuchung erlegen war, ihn zu küssen, auf die Gefühle zu reagieren, die in jener Nacht in seinen Augen gelodert hatten! Denn dann würde er ihr jetzt zweifellos vorwerfen, sie hätte seinen geschwächten, verwirrten Zustand ausgenutzt.
Eingedenk seiner – und ihrer – wahren Stellung im Leben machte sie einen Knicks und murmelte: „Mylord.“
Denn auch wenn Peregrine Tillotson augenblicklich den Titel innehatte, war Carleton doch der wahre Viscount Lambourne.
„Ich habe dir noch etwas Brühe gebracht“, sagte sie und nickte zu dem Tablett in ihren Händen. Und dann, als er den Blick von ihr auf das Tablett richtete, fuhr sie fort: „Ich weiß, dass es allmählich ein wenig eintönig wird, aber etwas Besseres kann ich dir nicht bieten. Und bis jetzt hat es dir nicht geschadet.“
Er holte Luft, als wollte er etwas sagen, doch dann schien er es sich noch einmal zu überlegen, ließ sich in die Kissen sinken und sah zu, wie sie Teller, Löffel und Serviette auf einen niedrigen Tisch stellte, den sie zu seiner Bequemlichkeit an das Sofa gezogen hatte.
Als er nicht gleich nach dem Löffel griff, fragte Nell: „Brauchst du immer noch Hilfe? Soll ich dich füttern?“
Sein Gesicht verzog sich zu einer so grimmigen Fratze, dass sie zusammenzuckte.
„Ich esse selbst!“, fuhr er auf und nahm den Löffel in die Hand, die, wie sie bemerkte, immer noch ein wenig zitterte.
Er hatte bereits mehrere Löffel voll gegessen, ehe ihr in den Sinn kam, dass sie keinen Grund hatte, bei ihm zu bleiben. Nicht jetzt, wo er allmählich allein zurechtkam. Es war überdeutlich, dass er nun, da er wusste, wer sie war, nicht den Wunsch hegte, sie möge in seiner Nähe bleiben. Wie schrecklich es für ihn sein musste, dass die Frau, auf deren Fürsorge er angewiesen gewesen war, just die Frau war, die er um jeden Preis loswerden wollte!
Sie ertrug es nicht. Nach all der Zeit hätte es ihr nichts mehr ausmachen sollen, und doch fühlte sich seine Verachtung an wie ein Messerstoß zwischen die Rippen.
Doch als sie aus dem Raum gehen wollte, hielt er inne, den Löffel auf halbem Weg zum Mund, und fragte: „Wohin gehst du?“
Sie war gerade zur Tür gekommen und hantierte mit dem Riegel herum. „Ich habe im Haus noch einiges zu erledigen. Und du brauchst mich hier ja nicht mehr. Ich sollte …“
„Warte!“, fuhr er sie an. „Ich muss dir ein paar Fragen stellen.“
Sie blinzelte ungläubig.
„Ist es dafür nicht ein wenig zu spät?“ Direkt nach ihrer Hochzeit hätten sie miteinander reden müssen. Sie hatte damals das Gespräch mit ihm gesucht, doch er hatte ihr einfach nicht zuhören wollen. Stattdessen hatte er …
„Es ist nie zu spät. Wenn ich in den vergangenen Jahren etwas gelernt habe, dann das. Setz dich“, befahl er ihr und wies mit dem Löffel auf den Lehnstuhl, der dem Sofa gegenüberstand.
Sobald sie sich auf den ihr angewiesenen Platz gesetzt hatte, sagte er gepresst: „Ich begreife nicht ganz, was du hier machst. Und warum du dir solche Mühe gegeben hast, mich zu pflegen. Warum du mich nicht einfach draußen auf dem Weg hast liegen lassen, damit die Kälte mir den Rest gibt.“
Sie war eingeschnappt. „Bei so einem Wetter würde ich nicht einmal einen Hund draußen lassen.“
Er aß noch einen Löffel Brühe und blickte sie dann nachdenklich an. „Du bist mir ein Rätsel, Helena. So wie du mich gepflegt hast die letzten …“ Er zog fragend die
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