MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
würde er an einem Schälchen Nektar nippen. Sie versprach ihm den Himmel auf Erden und gab ihm einen Vorgeschmack auf das Paradies.
Doch an diesem Punkt schlug der Traum immer um. Die Süße wurde von dem Gefühl abgelöst, ausgetrickst worden und in die Falle gegangen zu sein, und dann lief er immer davon – lief fort aus dem grellen Licht in eine feuchtkalte Dunkelheit, die ihn ganz zu verschlingen drohte. Normalerweise wachte er an diesem Punkt auf, voll Erleichterung, einem schrecklichen Schicksal entronnen zu sein.
Zum ersten Mal hatte er diesen Traum in der Hochzeitsnacht geträumt. Er war daraus erwacht, entsetzt, dass er auf so offen erotische Weise von ihr geträumt hatte. Und hatte erkannt, dass sie für ihn noch viel gefährlicher war, als er sich vorgestellt hatte. Wenn er auf diese Art von ihr träumen konnte, wo er doch fest entschlossen war, ihr nicht zu nahe zu kommen … Natürlich hatte er sich an den Augenblick erinnern können, als seine Feindseligkeit gegen sie nachgelassen hatte. In der Kirche hatte sie so verängstigt ausgesehen und hatte ihr Ehegelöbnis nur stammelnd herausgebracht, sodass er fast Mitleid mit ihr bekommen hatte. Nicht dass er nicht jedes Recht gehabt hätte, zornig zu sein über das, was sie getan hatte, aber er war doch kein Unmensch! Er hatte entschieden, er müsse ihr wenigstens versichern, dass sie nichts von ihm zu befürchten hatte. Beim Hochzeitsessen hatte er ihr die ganze Zeit verstohlene Blicke zugeworfen, während er nach den richtigen Worten suchte, um ihr alles zu erklären, und da hatte er entdeckt, dass er, wenn auch zufällig, ein ungewöhnlich hübsches Mädchen geheiratet hatte.
War es da überraschend, dass er davon geträumt hatte, wie es hätte sein können? Wie es hätte sein sollen, wenn er heiratete?
Mit neuem Zorn war er in ihr Zimmer gestürmt und hatte seinen Entschluss wiederholt, sie brauche sich bloß nicht einzubilden, er würde sie je an seinem Privatleben teilhaben lassen, nur weil er ihr öffentlich angetraut worden war!!
Und sie hatte schweigend dagestanden und ihn angesehen, wie sie ihn auch jetzt ansah.
Wie Harry ihn im Garten angesehen hatte.
Harry, der ihm als kleinem Jungen so ähnlich sah, dass er an jenem Morgen, als er aufgewacht war, geglaubt hatte, er schaue in einen Spiegel.
„Was hast du getragen?“, krächzte er, und plötzlich war ihm schrecklich übel. Besser als jeder andere sollte er wissen, dass der Verstand einem entsetzliche Streiche spielen konnte. Was war, wenn seine Träume ihren Ursprung in einer flüchtigen Erinnerung hatten? Einer Erinnerung, die er vergeblich zu unterdrücken versucht hatte?
„In unserer Hochzeitsnacht?“ Sie runzelte die Stirn. „Ein Nachthemd, das ich mir von Lucinda geborgt hatte.“
„Ja, aber wie hat es ausgesehen? Sag mir ein paar Einzelheiten. Wenn du mich wirklich davon überzeugen willst, dass wir die Ehe vollzogen haben, dann sieh zu, dass du in mir irgendeine Erinnerung daran weckst!“
Sie war schockiert über den Ausdruck in seinen Augen – sie sah dort unerträgliche Selbstzweifel. Ihr Herz schlug schneller. Bot er ihr endlich die Chance, sich zu rechtfertigen?
„Welche Farbe hatte es?“ Er schlug mit der Faust in die Sofakissen.
„W…weiß.“ Angestrengt bemühte sie sich, irgendein Detail aus jener Nacht heraufzubeschwören, die ihr so viel Schmerz gebracht hatte, dass sie ihr Möglichstes getan hatte, sie zu vergessen. Denn wenn sie ihn am Ende doch davon überzeugen konnte, dass er sie in jener Nacht zu seiner Frau gemacht hatte, würde sie ihn vielleicht auch dazu bringen, sich anzuhören, was sie ihm sonst noch zu erzählen hatte.
Ein Bild tauchte vor ihrem geistigen Auge auf.
„Als ich dir die Arme um den Nacken schlang, sind die Ärmel hochgerutscht“, sagte sie. „Bis zu den Schultern. Das Nachthemd war mir zu groß, viel zu weit. Lucinda war viel größer als ich.“
Ihre Cousine Lucinda hatte hübsche Sachen geliebt. Sie hatte mindestens drei Lagen Rüschen an den Saum ihrer Gewänder nähen lassen. Und alles war mit Blumen bestickt.
„Nimm das, es soll dir Glück bringen“, hatte sie gesagt und ihr ein Nachthemd gereicht, das vom vielen Waschen so fadenscheinig war, dass es fast durchsichtig war. „Es ist alt, und ich borge es dir, und die Blumen darauf sind blau.“ Und dann mit einem Kichern, das es einem unmöglich machte, die Geste als großzügige Freundlichkeit auszulegen, hinzugefügt: „Du wirst alles Glück brauchen, das du
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