MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18

genug war, um Dienstbotenarbeiten zu verrichten, sodass er einen Lohn einsparen konnte. Doch er hat mir stets sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nur geduldet war.“
    Carleton runzelte die Stirn, als er sich vorzustellen versuchte, wie ihre Kindheit ausgesehen hatte. Zum ersten Mal verstand er, dass sie von dem Wunsch besessen gewesen war, einer solch unglückseligen Situation zu entfliehen. Dann gebot er diesem Gedankengang kopfschüttelnd Einhalt. Sie führte keine Entschuldigung an, warum sie ihn in die Ehe gelockt hatte, sie beharrte weiterhin darauf, dass sie nichts dergleichen getan hatte.
    „So glaube mir doch!“, flehte sie. „Ich sage dir ja, ich habe das alles nicht geplant. Ich bin den Intrigen meiner Tante genauso zum Opfer gefallen wie du.“
    Und wenn das stimmte – er schauderte –, dann hatte sie mehr Grund, ihn zu hassen, als er je angenommen hatte. Sein nachfolgendes Verhalten musste ihr als entsetzliche Grausamkeit erschienen sein.
    Nell sah, wie er erschauderte, und fühlte sich, als hätte er ihr eine Ohrfeige gegeben. Sie nahm das Tablett vom Tisch und lief aus dem Raum, bevor Carleton Gelegenheit hatte, noch ein Wort zu sagen.
    „Oh, mein Gott“, stöhnte er. Wenn das, was sie sagte, der Wahrheit entsprach – und irgendwie passte eins so gut zum anderen, dass er einfach wusste, es war die Wahrheit –, hatte er sich ihren Hass voll und ganz verdient.
    Er hatte ihr das Leben zur Hölle gemacht.
    Auf der Stirn brach ihm der Schweiß aus.
    In ein paar Tagen kam Peregrine mit dem Mittel zurück, um ihn zu vergiften. Und ganz plötzlich konnte er es sogar verstehen, warum sie sich vielleicht vollkommen im Recht fühlte, ihm dieses Gift zu verabreichen.

4. KAPITEL
        
    Nell tauchte die Scheuerbürste noch einmal in den Eimer und knallte sie auf den Küchentisch.
    Seit ihrem Gespräch am Abend zuvor, als sie erfahren hatte, dass Carleton ihren Ruf nicht absichtlich ruiniert hatte, war sie fest entschlossen, irgendwie einen Weg zu finden, um Peregrines Pläne zu vereiteln.
    So, wie sie jetzt mit der Bürste im Kreis fuhr, um den Tisch sauber zu schrubben, war sie in Gedanken immer wieder ihren Streit durchgegangen. Sie hatte rasch erkannt, wie ein Wort, das man im Vertrauen geäußert hatte, aufgegriffen und zum Futter für den Klatsch werden konnte, der sie dann zerstört hatte. Und da sie die verschlagene, intrigante Art ihrer Tante kannte, fiel es ihr irgendwie leichter, sich vorzustellen, dass sie Carleton betäubt hatte, als weiterhin zu glauben, er sei ein Gewohnheitstrinker.
    Und jetzt, da sie wusste, dass Peregrine nicht einmal vor einem Mord zurückschreckte, um Carletons Titel zu behalten, würde es sie nicht überraschen, wenn vieles von dem, was er ihr erzählt hatte, gar nicht so passiert war, wie er es geschildert hatte.
    Da war sie sich noch nicht ganz schlüssig, doch eines war ihr ganz klar geworden: Der Erfolg von Peregrines Komplott ruhte auf der Tatsache, dass nur sie und er wussten, dass Carleton noch lebte.
    Um für die Sicherheit ihres Mannes zu sorgen, brauchte sie also nur herumzuerzählen, dass er zurückgekehrt war.
    Zu diesem Zweck schickte sie Harry los, um Squire Jeffers zu holen. Als hiesiger Friedensrichter wusste er sicher, was zu tun war, um Carleton wieder in seine rechtmäßige Stellung einzusetzen.
    Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und schleppte den Eimer in die Spülküche, um das Seifenwasser in den Ausguss zu schütten. Sie hatte ihn gerade zum Trocknen umgedreht, als sie Harry durch die Küchentür poltern hörte.
    „Er kommt jetzt den Weg rauf, Mum“, keuchte er, kurz bevor Nell hörte, wie an die Haustür geklopft wurde.
    Eilig nahm sie ihre Schürze ab, ging den kleinen Flur hinunter und schob dabei noch rasch einige Strähnen in den Knoten, der ordentlich in ihrem Nacken saß.
    „Nun, Mrs. Tillotson?“, bellte Squire Jeffers, sobald sie ihm die Tür öffnete. „Was ist so dringend, dass ich alles stehen und liegen lassen muss, um unverzüglich in Ihr Cottage zu kommen? Oder ist das nur wieder so ein unbedachter Streich Ihres Lümmels?“
    „N…nein, keineswegs! Ich meine, natürlich“, stammelte Nell, als der Squire hereinplatzte und sie zwang, vor ihm zurückzuweichen. Er hatte den Hut abgenommen und die Handschuhe abgestreift und sah sich vergeblich nach einem Beistelltisch um, um die Sachen abzulegen, während sie sich bemühte, ihre Entrüstung über seine Haltung Harry gegenüber in den Griff zu