MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
nicht so ein verdammter Narr gewesen!“
„Nell“, flüsterte sie, hob seine Hand an die Lippen und küsste sie inbrünstig. „Oh, könntest du mich bitte Nell nennen? Immer wenn jemand Helena zu mir sagt, habe ich das Gefühl, gleich werde ich ausgeschimpft.“
Er lachte und schloss sie in die Arme. „Dann also Nell. Liebste Nell, ich wünschte, ich hätte mir damals, als wir geheiratet haben, mehr Mühe gegeben, dich kennenzulernen“, sagte er reuig. „Jetzt ist es zu spät.“
„Sag das nicht“, erwiderte sie und liebkoste seine Wange. „Wir finden einen Weg …“
Carleton schüttelte grimmig den Kopf. „Ich bin oft genug mit dem Leben davongekommen. Und ich glaube, ich wusste gar nicht, wie wenig ich es verdient hatte, bis ich mich durch deine Augen sah. Selbst auf der Rückreise nach England war ich noch so eingebildet, zu denken, ich würde ein Leben aufnehmen, das Josés unermessliches Opfer wert sei. Aber wahrscheinlich wäre ich nur ein wenig anständiger gegenüber meinen Pächtern gewesen und hätte mich vielleicht für einige wohltätige Projekte eingesetzt. Sicher hätte es nicht lange gedauert, bis ich wieder der unerträglich arrogante, selbstgefällige Schnösel geworden wäre, der ich in meiner Jugend war, überzeugt, er wäre etwas Besseres, weil er in eine reiche, einflussreiche Stellung hineingeboren worden war. Aber das stimmt ja nicht, Nell, oder?“ Er sah sie ernst an. „Selbst Squire Jeffers findet, dass Peregrine einen besseren Viscount Lambourne abgibt, als ich es je war.“
„Nein, nein … das darfst du nicht sagen!“ Nell wünschte, sie besäße nur einen Bruchteil der Redegewandtheit ihres Gatten. Doch alles, was ihr einfiel, war: „Peregrine ist der hassenswerteste Mensch, dem ich je begegnet bin!“
Auf Carletons Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Du bist ein Wunder. Weißt du das, Nell? Ein größeres Wunder, als ein Schuft wie ich es verdient hat …“
Er schwieg und drückte sie so fest an seine Brust, dass sie kaum Luft bekam. Sie hatte das Gefühl, das Herz würde ihr bersten vor Freude. Jetzt war ihr egal, was andere von ihr dachten. Jetzt, wo Carleton ihr endlich glaubte.
Sie hätte glücklich den ganzen Tag in den Armen ihres Gatten liegen können. Doch nach einigen Minuten inniger Zweisamkeit platzte Harry zur Tür herein. Beim Anblick seiner Miene, in der sich Schock und Widerwillen mischten, befreite sie sich rasch aus der Umarmung. Zögernd ließ Carleton sie los, damit sie sich aufsetzen konnte, hielt sie jedoch zurück, als sie vom Sofa aufstehen wollte.
„Ich weiß, dass ich bis jetzt nicht gerade der Vater war, den du dir gewünscht hast, Harry“, sagte er. „Aber ich bin trotzdem dein Vater. Glaubst du, du könntest es übers Herz bringen, mir zu verzeihen, so wie deine Mutter mir verziehen hat?“ Er streckte die Hand aus. „Gibst du mir die Hand darauf?“
Harrys Miene spiegelte ein oder zwei Minuten lang seinen inneren Kampf wider, bevor er sich einfach auf dem Absatz umdrehte und den Raum verließ.
Carleton ließ die Hand sinken. Nell nahm sie und hielt sie zwischen ihren Händen.
„Er hat ein hitziges Temperament, aber am Ende fängt er sich. Er braucht nur ein wenig Zeit, um sich zu beruhigen …“
Carleton schnappte nach Luft. Nell hörte sich an wie seine Mutter – die ihn, wie er jetzt wusste, durch und durch verwöhnt hatte. Sie hatte gedacht, er könnte kein Wässerchen trüben, und seine jugendliche Wildheit stets zu entschuldigen gewusst. Sie hatte sogar Mitgefühl mit ihm gehabt, als er ihr erzählte, wie er in die Ehe gelockt worden war, und nie kritisch hinterfragt, wie er später mit seiner Frau umgesprungen war.
Er seufzte. Harry hatte jedes Recht, ihn zurückzuweisen. „Er ist mein Sohn, Nell“, sagte er düster. „Er kommt nach mir und ist in der Lage, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag an seinem Zorn festzuhalten.“ Genau wie er seinen Groll gegen Nell genährt hatte.
Viele Jahre lang.
Am nächsten Morgen wurde Nell früh die Nachricht überbracht, Peregrine werde sie am folgenden Tag aufsuchen. Obwohl sie nicht die Absicht hatte, sich für seine Pläne einspannen zu lassen, würde sein Besuch zu beträchtlichem Aufruhr führen.
Carleton hatte sich in seiner Niedergeschlagenheit eingerichtet. Er hatte so viel durchgemacht und war von seiner letzten Krankheit noch so geschwächt, dass er keinen Kampfeswillen mehr zu besitzen schien.
„So, wie es aussieht“, hatte er am Abend zuvor gesagt, als sie,
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