MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
nachdem Harry zu Bett gegangen war, noch einige Minuten bei ihm gesessen hatte, „feiere ich Weihnachten jetzt doch nicht in Lambourne Hall.“
Peregrine will ihn unter keinen Umständen je wieder in Lambourne Hall sehen, dachte sie jetzt, zerknüllte die Nachricht wütend und warf sie ins Feuer.
Doch der schreckliche Mann würde erst am nächsten Tag kommen. Dieser Tag blieb ihnen noch. Und weil es aussah, als würde ihre Zeit im Cottage so oder so zu Ende gehen, da sowohl Peregrine als auch Squire Jeffers gegen sie eingenommen waren, sah sie keinen Sinn mehr darin, mit den Vorräten zu haushalten, die sie für den Winter angelegt hatte.
Wenn dies der letzte Tag war, den sie mit ihrem Gatten und ihrem Sohn im Cottage verbringen konnte, dann sollte es ein denkwürdiger Tag werden, beschloss sie und ging hinunter zum Hühnerstall.
Ihre letzte Legehenne war bald gerupft, gefüllt und in den Ofen geschoben, ihre Speisekammer durchforstet nach Rindertalg, Gewürzen und Trockenfrüchten, die sie vermischte und in ein Musselintuch knotete.
Bald wehte der wunderbare Duft nach Brathuhn und Plumpudding durch die unmittelbare Nachbarschaft.
Es war wohl der Geruch des leckeren Essens, der Harry, der den ganzen Vormittag irgendwo geschmollt hatte, zurück ins Haus lockte. Als er sah, dass Carleton am Küchentisch saß und dass der Tisch für drei gedeckt war, hielt er an der Schwelle inne und warf rebellisch einen finsteren Blick in die Runde.
Doch seine Stimmung hielt ihn nicht davon ab, bei dem Essen, das Nell ihm vorsetzte, herzhaft zuzugreifen.
„Das war wunderbar, Nell“, sagte Carleton, als sie die Teller zusammenstellten, von denen sowohl Vater als auch Sohn die letzten Reste des Hauptgerichts gekratzt hatten. „Ich weiß nicht, wann ich ein Essen das letzte Mal so genossen habe.“
„Es gibt noch Pudding.“ Sie lächelte, und dann durchfuhr ein seltsamer Stich sie, als Mann und Sohn gleichzeitig nach ihren Löffeln griffen, beide mit derselben Begeisterung im Gesicht.
„Der Geschmack von Weihnachten“, seufzte Carleton hingerissen, nachdem er den ersten Bissen probiert hatte. „Alles, was wir jetzt noch brauchen, um den Tag wahrhaft festlich zu begehen, ist ein Pfund Mehl zum Mehlschneiden.“
„Mehlschneiden?“, wiederholte Harry, den Löffel auf halbem Weg zum Mund.
Nell hielt den Atem an, voll Erstaunen, dass es Carleton gelungen war, dem Jungen, der stur an seiner Feindseligkeit gegen seinen Vater festhielt, eine Reaktion zu entlocken.
„Mehl braucht man doch nicht zu schneiden“, meinte Harry verächtlich. Er war wohl zu dem Schluss gekommen, dass sein Vater Unsinn redete.
„Nein“, sagte Carleton. „Natürlich nicht. Es ist ein Spiel. Habt ihr es noch nie gespielt?“ Er sah Nell fragend an.
Als diese den Kopf schüttelte, fuhr er fort: „Also, man gibt einen Haufen Mehl auf einen Teller, und obenauf legt man eine Kugel, und dann müssen alle reihum versuchen, mit einem Messer ein Stück vom Mehlfladen abzuschneiden. Irgendwann kommt die Kugel natürlich ins Rutschen, und der, bei dem sie ins Rutschen kommt, muss sie mit der Nase vom Teller stupsen. Was für die anderen natürlich sehr lustig ist.“
Harry beobachtete ihn mit schräg gelegtem Kopf, während er seinen Pudding kaute.
„Wir haben auch Rosinenfischen gespielt. Da muss man Rosinen in Brandy legen und den Brandy anzünden. Dann ist ein Spieler nach dem anderen dran, eine Rosine aus dem Feuer zu fischen. Da muss man ganz schön schnell sein!“
Nell und Harry hörten wie gebannt zu, als Carleton sie mit Geschichten darüber unterhielt, wie in Lambourne Hall in seiner Kindheit Weihnachten gefeiert worden war – bis er plötzlich erschöpft auf seinem Stuhl zusammensank.
„Ich bitte um Verzeihung“, sagte er, als Nell das Geschirr zusammenräumte, um es abzuspülen, „aber ich glaube, dabei bin ich dir keine große Hilfe.“
„Das macht doch nichts“, erwiderte sie lächelnd. „Wenigstens konntest du heute mit uns am Tisch sitzen. Du kommst jeden Tag mehr zu Kräften. Bis morgen …“ Sie verstummte, und ihre Miene verdüsterte sich. Am nächsten Tag würde Peregrine nicht nur mit seinem Gift kommen, sondern zweifellos auch mit einer Menge neuer Drohungen.
Harry blieb noch einige Minuten am Tisch sitzen, nachdem Carleton hinausgegangen war, und trat mit den Füßen nach dem Stuhlbein. Doch als Nell ihn aus der Spülküche rief: „Zeit, mir mit dem Geschirr zu helfen, Harry!“ –, war er plötzlich nirgends
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