MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
weil das Eis unter ihrem Gewicht bedenklich zu knacken begann. Dann hielt er einen Augenblick inne, ehe er weiter zurückglitt, weg von dem gähnenden Loch.
Seine Kehle war wie zugeschnürt, und er bekam kaum Luft, doch noch wollte er nicht aufgeben. Sein Körper, der derartige Anstrengungen nicht gewohnt war, protestierte mit schneidenden Schmerzen, aber Iain biss die Zähne zusammen.
Sobald er in Ufernähe war, setzte er sich auf, so gut er konnte, und zog sie auf seinen Schoß. Die Kälte war zumindest etwas, womit er umgehen konnte. Über den Rest würde er sich später Sorgen machen, sobald sie in Sicherheit war.
Eine Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, hielt er sie nur in den Armen und drückte sie an sich. Ihre Züge erinnerten nun an eine Porzellanpuppe, geisterblass und zerbrechlich. Er schmiegte sie an seine Brust und begann ihre Arme zu reiben.
Ihr Zittern erschütterte sie alle beide. Er spürte, wie ihm selbst die Kälte in die Knochen drang, doch er ignorierte es und konzentrierte sich darauf, sie wach zu halten.
„Julia, mach die Augen auf, Mädchen“, mahnte er leise. Mit den Zähnen zog er sich den Handschuh aus und strich ihr sanft über die Wange. Dann hob er ihre Hand hoch und hauchte ihr auf die Finger, damit ein wenig Wärme in sie drang. „Mach dir keine Sorgen, Julia. Ich hab dich jetzt sicher“, flüsterte er und zog sie noch enger an sich.
Dieselben Worte hatte sie gesagt, kurz bevor er sie geküsst hatte. Diese Erinnerung tauchte aus ihren wirren Gedanken auf, und sie gab sich alle Mühe, ihm darauf zu antworten.
Doch es war einfach zu kalt. Am liebsten hätte sie sich dem Schlaf ergeben, der sie zu überwältigen drohte, hätte sich in seine Umarmung geschmiegt, doch Iain störte sie andauernd, zwang sie, ihm zuzuhören und die Augen aufzumachen.
Sie sah ihn an, noch während ihr Körper unter der schneidenden Kälte erbebte. „Iain.“
„Du musst bei mir bleiben, Julia. Hilfe ist unterwegs, aber du darfst dich der Kälte nicht ergeben“, drängte er.
Sein Stirnrunzeln verriet, welche Sorgen er sich machte. Und die Art, wie er ihr über die Wange strich und ihre Hand hielt, verriet seine Angst, obwohl sie selbst es kaum noch spüren konnte.
In diesem Augenblick kam ihr ein seltsamer Gedanke. Er hielt sie so dicht an sich gepresst, dass sie sein Gesicht nur teilweise sehen konnte, nur seinen Mund, und sie wollte, dass er sie küsste. Um sie zu wärmen, um sie etwas fühlen zu lassen, ehe sie in die Kälte glitt, die auf sie wartete.
Damit sie etwas hatte, woran sie sich erinnern konnte, selbst wenn es für sie die letzte Erinnerung wäre.
„Küss mich, Iain“, flüsterte sie und hoffte, dass er es tun würde.
Zuerst wusste sie nicht so recht, ob er sie küsste oder nicht, ihr Gesicht war so taub, aber dann ließen seine warmen Lippen ihre Haut leicht prickeln. Sein Mund wärmte ihren, sie spürte, wie seine Zungenspitze nach ihrer suchte. Das war der Kuss, an den sie sich erinnerte.
Nein, dies war der Kuss, an den sie sich immer erinnern würde.
Er beendete den Kuss und drückte sie eng an sich, während sie noch heftiger zitterte als zuvor. Sie wollte ihm sagen, was sie empfand, wollte ihm erzählen, welche Gefühle sie für ihn in der Zeit seiner Abwesenheit entwickelt hatte, wollte ihm gestehen, dass sie so tat, als genieße sie ihr Leben, nur um ihre Schwester nicht zu enttäuschen.
Stattdessen lag sie einfach in seinen Armen, ließ seine Kraft in sich übergehen und hoffte, dass er sie noch rechtzeitig gefunden hatte. Bald jedoch ermattete sie, sie konnte nicht länger gegen die Kälte und Erschöpfung ankämpfen.
„Iain …“
Nachdem sie seinen Namen geflüstert hatte, verlor sie das Bewusstsein.
Das durfte nicht sein! Er schüttelte sie und rief ihren Namen, gab ihr sogar eine Ohrfeige, um sie aufzuwecken, aber nichts fruchtete. Sie hatte seinen Namen gewispert und war dann ohnmächtig geworden. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie noch atmete.
Nein! Sie durfte nicht sterben! Nicht wegen seiner Behinderung!
Wenn er gesund gewesen wäre, hätte er sie zum Haus tragen können. Wenn er gesund gewesen wäre, hätte er sie vorher eingeholt und das ganze Unglück verhindern können. Wenn er gesund gewesen wäre, wäre überhaupt alles ganz anders.
Der Schmerz wallte in ihm auf, bis er ihn nicht länger unter Verschluss halten konnte. Er legte den Kopf in den Nacken und schrie seine Enttäuschung, seinen Schmerz und Zorn hinaus. Und sie regte sich
Weitere Kostenlose Bücher