MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
unpassierbar geworden, sodass sich seine Abreise verzögerte. Statt drei würde er nun mindestens sieben Tage in Wesley Hall verbringen.
Was ihn gefährlich oft in Julias Nähe brachte. Die Gefahr drohte seinem Herzen und den Plänen, die ihre Familie für sie gemacht hatte. Daher musste er sich nach Kräften bemühen, sie davon abzuhalten, sich um die Möglichkeiten zu bringen, die das Leben für sie bereithielt, auch wenn er selbst das gar nicht wollte.
Gelegenheit dazu bekam er sehr viel früher, als er erwartet hätte, denn ein Blick durchs Fenster zeigte ihm ebenjene Frau, wie sie auf beinahe verstohlene Art vom Haus zu den Ställen schlich. Er musste lächeln, denn er fühlte sich an früher erinnert, als sie ihm und seinen Cousins bei ihren Abenteuern hatte folgen wollen.
Und er musste daran denken, wie diese Abenteuer für gewöhnlich ausgegangen waren – schlecht.
Iain holte den Lakaien ein, ehe der seinen Überrock weggeräumt hatte, zog ihn wieder an und folgte ihr hinaus in den Schnee. Der pulvrige Untergrund – wie es aussah, waren inzwischen noch ein paar Zoll Schnee gefallen – erschwerte ihm das Fortkommen, und als er bei den Stallungen angelangt war, schnappte er nach Luft. Er betrat das große Gebäude, das erfüllt war von Wärme und dem Geruch der Pferde, und verschnaufte kurz. Er sah den Gang hinunter, konnte Julia aber weder sehen noch hören.
Er ließ sich nur einen winzigen Augenblick Zeit, die Tiere zu bewundern, und begab sich zur Rückseite des Gebäudes. Beinahe dort angekommen, hörte er, wie eine Seitentür zugeschlagen wurde. In ein paar Minuten hatte er den Ausgang entdeckt, doch als er hinausblickte, sah er nur einen Stallburschen, der mit Schlittschuhen in der Hand zum See lief.
Oh, lieber Gott im Himmel, betete er, als er die Gestalt in Knabenkleidern erkannte – es war Julia!
Schon als Kind hatte sie den Schnee geliebt, wenn sie Weihnachten in Broch Dubh im schottischen Hochland verbrachte. Und auf dem zugefrorenen See war sie eine der besten Schlittschuhläuferinnen gewesen. Als er der kleiner werdenden Figur nachsah, wurde ihm klar, dass er ihr folgen musste. Und wie er gehört hatte, lag der See eine halbe Meile entfernt.
So weit war er seit seinem Unfall nicht mehr gegangen.
Er wusste nicht, ob er es schaffen würde, er wusste nur, dass er es versuchen musste. Eine ungute Vorahnung erfüllte ihn, und je weiter Julia sich entfernte, desto dringlicher wurde es für ihn, sich in Bewegung zu setzen.
Eine Viertelstunde später hatte er das verschneite Seeufer erreicht und sah sie auf der anderen Seite vorüberflitzen. Er hielt sich im Schatten der Bäume, damit sie ihn nicht entdeckte. Seine Hüfte brannte vor Schmerzen, sowohl wegen der Entfernung an sich als auch wegen des für ihn mörderischen Tempos, das er vorgelegt hatte, und so bewegte er sich jetzt ganz langsam, damit ihm die Beine nicht am Schluss noch wegknickten. Dann hörte er, wie sie etwas rief.
Ein Kind, ein Junge, hatte sich zu ihr aufs Eis begeben, und Iain sah zu, wie sie über die Eisdecke sausten, ohne auf die Kälte zu achten oder dass es wieder zu schneien begonnen hatte. Vor Jahren hätte er ebenfalls Kufen angeschnallt und wäre mit ihnen übers Eis gejagt. Wieder einmal musste er sich seufzend eingestehen, dass ihn seine Behinderung für immer von den Dingen fernhalten würde, die er in seiner Jugend so genossen hatte … und von ihr.
Ein paar Minuten vergingen, und obwohl er sich vollkommen verausgabt hatte, wurde er nicht müde, sie zu beobachten – welchen Spaß sie an dem schlichten Sport hatte, wie sie mit dem Dorfjungen umging, die Anmut, mit der sie sich bewegte, selbst die skandalöse Art, wie die Kleidung des Stallburschen ihre weiblichen Rundungen betonte. So viel Freude hatte er schon lange nicht mehr empfunden, und selbst wenn sie ein wenig getrübt war von dem Bewusstsein, dass er das, was er vor sich sah, niemals sein eigen nennen könnte, würde er doch jeden Augenblick wie einen Schatz im Herzen hüten.
Julia und das Kind waren zu einem dichter bei seinem Beobachtungsposten gelegenen Teil des Sees gelaufen, und da hörte er es. Das Eis knackte, eine Vorwarnung dräuenden Unheils. Er schaute auf die beiden Eisläufer, die angehalten hatten und zu lauschen schienen. Offensichtlich hatten sie die Gefahr erkannt.
Er wollte ihnen eine Warnung zurufen, doch im selben Augenblick schrie Julia auf und verschwand.
6. KAPITEL
Iain wusste, wenn er jetzt nicht handelte,
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