MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
außer um einfache Fragen zu beantworten. Nach Julia hatte er sich kein einziges Mal erkundigt.
Während Clarinda vor Julias Schlafzimmer auf und ab tigerte, wurde ihr klar, dass sie mit Anna über ihn reden musste. Aber sie wusste nicht, wie sie dieses heikle Thema anschneiden sollte. Als sich die Tür öffnete, sah sie sich zu ihrer Überraschung Anna gegenüber; eigentlich hatte sie eine Dienstbotin erwartet.
„Anna.“ Clarinda umarmte ihre Freundin und hielt sie dann auf Armeslänge von sich ab, um sie genauer anzusehen. „Wie geht es dir denn?“
„Ich tue, was getan werden muss“, erwiderte sie und sah auf die Tür, die sie hinter sich geschlossen hatte. „Sie schläft jetzt, und Trey hat mir befohlen, mich auch hinzulegen.“
„In deinem Zustand musst du auch gut auf dich aufpassen, Anna. Möchtest du, dass ich mich ein Weilchen zu Julia setze?“
Anna runzelte die Stirn. „Und wer kümmert sich dann um Iain?“
„Junge Männer sind nicht so erpicht darauf, dass ihre Onkel oder Tanten dauernd um sie herumtanzen. Ich habe getan, was ich konnte, bevor er mich dann hinauskomplimentiert hat.“ Entnervt stieß Clarinda den Atem aus. „Da sind sie immer so stolz auf ihre Fähigkeiten, und wenn ihnen etwas nicht so gelingt, wie sie meinen, sind sie bis ins Mark erschüttert.“
„Was ist los, Clarinda? Komm, begleite mich auf mein Zimmer und erzähle mir alles.“
„Es wird dir aber nicht gefallen, Anna. Ich mache mir Sorgen, wie du reagieren könntest.“
Anna zuckte nur mit den Schultern. „Vor zwei Tagen hätte ich beinahe meine geliebte Schwester verloren. Das, was du mir zu sagen hast, kann kaum schlimmer sein, oder?“
Das war die praktische, ruhige Frau, die Clarinda kannte. Eine Frau, die mit schwierigen Situationen fertig wurde, ohne in Hysterie oder Angst zu verfallen. Alles würde gut werden.
„Nein. Eher nicht so schlimm.“
Anna hängte sich bei ihr ein, und dann gingen sie gemeinsam zu den Räumen der Countess am Ende des Flurs. Bestimmt würden sie einen Ausweg finden.
Iain schloss die Tür und lehnte den Kopf an den hölzernen Rahmen. Er hatte zwei Tage lang Laudanum nehmen müssen und dann noch drei Tage gebraucht, bis er sein Bedürfnis nach Schmerzlinderung wieder in den Griff bekommen hatte. Als er sich den schrecklichen Krämpfen und der entsetzlichen Angst, Julia sei in seinen Armen gestorben, gegenübergesehen hatte, hatte er die Kontrolle verloren und zu viel eingenommen, sodass er für die meisten Empfindungen vollkommen abgestumpft war. Die ständige Pein in seinem Herzen mahnte ihn aber, dass Drogen nicht gegen alle Schmerzen halfen.
Als der Earl sie aus seinen Armen hochgehoben hatte, hatte er einen Entschluss gefällt: Wenn sie überlebten, würde er endgültig aus ihrem Leben verschwinden. Sie hatte etwas Besseres verdient als das, was er zu bieten hatte oder je zu bieten haben würde, und von ihr würde er nie erwarten oder wollen, dass sie eine solche Entscheidung traf.
Ihre Schwester bot ihr allen Komfort und jede Möglichkeit auf eine glänzende Zukunft, und er würde Julia diese Möglichkeit niemals verbauen wollen. Selbst wenn ihr selbst nicht klar war, was für ein Glück sie hatte, er wusste es. Auf den Reisen, die er für seinen Onkel unternommen hatte, hatte er genug Armut gesehen, die auf falsche Lebensentscheidungen zurückzuführen war, um zu wissen, dass er sie ihr Glück nie würde opfern lassen.
Nach Weihnachten würde er nach London fahren und zu seinem normalen Alltag zurückkehren. Er würde für seinen Onkel Geschäfte abschließen, für den Gutshof arbeiten, für die Landwirtschaft. Ein einfaches Leben führen.
Ein Leben ohne Julia Fairchild.
Schließlich war er jahrelang ohne sie ausgekommen, er würde es wieder lernen.
Durch die Tür drangen Geräusche, und von oben hörte er Musik. Er dachte daran, wie er sie an jenem ersten Abend gesehen hatte – wie sie am Arm eines anderen Herrn durch den Salon geschwebt war. Einen kurzen Augenblick erlaubte er sich die Vorstellung, wie sie an seinen Armen lag, mit ihm tanzte, plauderte und ihm ihr einzigartiges Lächeln schenkte.
Iain summte die Melodie mit und schüttelte die Verzweiflung ab, die sich seiner bemächtigen wollte. Er löste den Knoten des Krawattentuchs und zog es sich vom Hals. Dann warf er es aufs Bett, legte den Rock ab, knöpfte die Weste auf. Heute hatte er sich gezwungen, wieder mehr zu laufen, und die Beine schmerzten ihn.
Gerade als er sich setzte, um die Schuhe
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