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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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und rief mit lauter Stimme: „Miles O’Curry, wir trinken auf dich. Wir gedenken deiner und unserer Zeit. Hier haben sich Freunde in der Fremde zusammengefunden. Und mögest du in Frieden ruhen … Cheeeriiiioooo …!“ Er trank in einem einzigen Zug sein Glas aus.
    Myrddin nippte nur an seinem Whisky, roch eine strenge, rauchige Würze und fand, daß es ein kräftiger, wärmender Trank sei, der dem edlen Gold eines klaren Geistes entspringen müsse. Dann setzte sich Palluck und wurde tatsächlich gesprächiger. Tralee schüttelte lächelnd ihren Kopf über das Verhalten des Old Jerry und schaute verstohlen kurz Myrddin an.
    Es war Myrddin gelungen, die Harmonie wiederherzustellen, die er für seine Ruhe und seine Studien brauchte, bevor er nach Lindisfarne und zum Hart Fell aufbrechen wollte. Doch es blieb ihm die Frage nach dem Eschenstab und er griff das Thema vorsichtig auf.
    „Dann hast du mich also gefunden, Jerry?“ fragte er mit gespielter Dankbarkeit.
    „Darauf kannst du einen lassen … Aber du kannst dich daran nicht erinnern, was …? Pitschnaß hast du am Strand gelegen. Und ich … ich habe zuerst gedacht, daß du ein Tier bist …“, sagte Palluck, hob die Flasche, die auf dem Tisch stand, was als Frage gedacht war, ob er Myrddin noch nachschenken sollte, doch der lehnte dankend ab, da er von dem kräftigen Whisky noch genügend in seinem Glas hatte. „… und du bist ganz schön schwer für dein Alter, William – ein echt rüstiger Mann … Und dann habe ich dich ausgezogen, zugedeckt und du … Du hast von Elfen geträumt. Du bist wohl auch ein Romantiker so wie ich manchmal, was …“
    „Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß eigentlich gar nicht, was mit mir geschehen ist …“, sagte Myrddin, was ihm ein sicheres Argument zu sein schien, das sie verstehen und akzeptieren konnten.
    „Na ja … aber das Wichtigste ist, daß du noch weißt, wie du heißt, William Myrddin. Und du kennst Gedichte. Man vergißt schon mal das eine oder andere. Das macht ja auch nichts …“, sagte Palluck und brachte Myrddin damit auf eine Idee, wie er sich der klugen, doch zu kritischen Beobachtung von Tralee entziehen könnte. Einerseits müßte er keine verfänglichen Antworten geben und andererseits wären alle Fragen gerechtfertigt, die er hätte. Das wäre ein sicheres Versteck für ihn, der sich William Myrddin nannte.
    „Und du hast nichts weiter gefunden – außer mir?“ fragte er nach, um sie auf den Gedanken zu bringen, den er für sie bereits ersonnen hatte.
    „Nein, William. Was meinst du …? Ach, doch: das Lederpaket hier“, erwiderte Palluck betroffen, da er Myrddins Frage so verstanden hatte, als fühle sich dieser durch ihn eines Gegenstandes bestohlen.
    „Ja. Ich erinnere mich. Das Paket scheint in der Tat mir zu gehören“, erwiderte Myrddin und fügte hinzu: „Es ist ein altes, heiliges Buch …“
    „Eine kostbare Familienbibel“, meinte Tralee nachdenklich, die sich endlich auf Myrddins Fährte begeben wollte.
    „Kannst du dich an nichts anderes erinnern, William?“
    „Ich weiß es nicht …“
    „Hast du keine Familie … keine Frau … keine Kinder?“
    „Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, Leslie“, beteuerte er und sah seine Saat aufgehen.
    „Weißt du, Jerry, ich glaube, William hat sein Gedächtnis verloren.“
    „Nur weil er sich an seine Familie nicht erinnern kann?“
    „Na hör mal, die eigene Familie wird man doch nicht einfach mir nichts dir nichts vergessen.“
    „Das erste, was ich vergesse … jeden Tag, jeden Morgen aufs neue, meine liebe Leslie, das ist meine Familie … die geiernde Furie Faith Bishop. Und vielleicht tut auch William ganz gut daran …“, sagte Palluck und kratzte sich seine Bartstoppeln, denn falls er auch eine habgierige Bishop vergessen wollte, brachte sie sich von ganz allein immer wieder in Erinnerung, indem sie kam und in seinen Sachen herumschnüffelte. Palluck glaubte sogar, daß sie sein Leergut zählen würde und wahrscheinlich heimlich ausrechnete, wieviel weniger sie nach seinem Tod bekommen würde, falls es ein Vermächtnis für sie gäbe. Sie wußte nicht, daß er vor vielen Jahren bei einem Notar seinen letzten Willen hinterlegt hatte – ein Testament für Brian und Tralee hatte aufsetzen lassen, die alles erben sollten, was ihm gehörte. Und die gierige Frau seines Cousins sollte leer ausgehen, was rechtlich von ihm abgesichert worden war, selbst wenn sie ihn für einen dummen, saufenden,

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