Myrddin
wirklich beschäftigt, nicht wahr …?“
„Wahrscheinlich nicht. Die Wurzeln liegen tiefer, und der Wald …? Der Wald ist nur die äußere Erscheinungsform, in der sie sich zeigen. Die Tiere sind weitere Formen, in denen sie sich zeigen, und die Gebirge … nur eine von Millionen anderer Formen … Es stimmt, Hörn. Und der Zustand, sie nur sehen zu können, ist die mindere Wertschätzung ihrer Artenvielfalt.“
„Merlin, bitte sage mir, ob in der letzten Zeit das Gesicht über dich gekommen ist.“
„Ja. Einmal. Ich habe die Zukunft des Mädchens Patty Brian gesehen, das eine bedeutende Frau werden wird. Und ich weiß, daß ich die zwei Menschen von den Shetlands noch einmal wiedersehen werde …“
„Und wissen sie es auch?“
„Nein. Sie glauben es nicht und haben mich hassen gelernt, so wie sie sich in mich verliebten, Hörn. Die Menschen sind anfälliger für Mißverständnisse geworden, denn je mehr sie ihre Sprache feilen, umso mehr schüren sie Kunstregeln der Mißverständnisse, die dann nicht mehr von Inhalten handeln.“
„Und du …? Bist du anfällig für sie geworden, Merlin? Denke gut darüber nach, denn auch du verspielst dich allzugerne in deinen Gedanken, ohne ihre Auswirkungen zu überschauen.“
„Findest du? Ich nicht …! Sie bedeuten mir nicht genug.“
„Lass es gut sein, Merlin … oder sollte ich William Myrddin sagen?“ witzelte Hörn.
„Mein Lieber, du hast andere Jahrhunderte gelebt als ich und andere Dinge getan, als ich sie habe tun müssen. Und glaube nicht, daß du sie immer richtig eingeschätzt hast. Hörn, glaube das nicht! Oder soll ich dir Beispiele nennen …?“ fragte Myrddin seinen Hirsch.
„Das ist nicht nötig. Nur ich kann mir meine Fehler leisten, da sie mir von dir verziehen werden. Aber wer verzeiht dir deine Fehler? Und hast du dich nicht schon selbst in Situationen gebracht, die ohne deine Zauberei verheerend für dich ausgegangen wären?“
„Schon. Aber die Energie und die Macht gehören zu mir und so taxiere ich die Dinge anders, als du es könntest. Zwei Freunde auf dem Ast eines Baumes … sagen wir, eine Schwalbe und eine Schnecke. Falls sich die Schwalbe vom Ast herabfallen läßt, muß sie für die Schnecke, die nicht fliegen kann, tollkühn, aberwitzig und lebensmüde sein, da sie selbst sich mit aller Kraft auf dem Ast zu halten versucht. Die Schwalbe jedoch kann den Raum zwischen Ast und Boden vollkommen anders einschätzen, weil dieser Raum zu ihrem Element gehört. So sehen auch wir die Dinge zuweilen unterschiedlich, oder …?“
Hörn schritt durch den Nebel, hörte die Wölfe in dem Wald nach Mäusen und Eichhörnchen jagen und glaubte, mit Myrddin zu einem zauberischen Haselhain der Feen gekommen zu sein. Und er meinte, daß Nimue jederzeit aus dem Nebel heraustreten könnte – oder einer der Kämpen Rhydderchs – so verwunschen schien ihm dieser Wald.
„Ich wollte dich noch eins fragen, Hörn“, unterbrach Myrddin die Stille, „seid ihr in Stonehenge vorbeigekommen? Hast du es gesehen?“ Diese Frage hatte ihn die ganze Zeit beschäftigt, jedoch hatte er nicht gewagt, sie zu stellen.
„Nein, Merlin. Ich habe ganz bewußt einen Bogen um Stonehenge gemacht. Ich wollte es allein nicht sehen. Dazu nehme ich mir kein Recht … oder ich wollte mir die Freiheit nicht herausnehmen. Wahrscheinlich hätte ich dir damit Schmerz zugefügt, meine ich …“
„Was glaubst du, wie es aussehen wird? Ob es noch den Baum gibt? Oder ob sie alle Steine umgestürzt haben, wie die Menschen es gerne tun? Oder ist über allem bereits Gras gewachsen …?
„Ich kann es nicht sagen, Merlin“, meinte Hörn und sie schwiegen mit den Bildern von Stonehenge vor Augen, die sie gesehen und damals erlebt hatten.
„Merlin, wie siehst du es mit deiner Kraft?“ fragte der Hirsch bekümmert.
„Meine Kraft, mein Lieber …? Ich habe Schimpfworte gelernt und könnte jetzt eine ordinäre Rede führen, die selbst dich treffen und unsere Einheit auf eine harte Probe stellen würde“, lachte der Zauberer und dachte an die Aufzeichnungen von Brian. „Im Ernst, Hörn, ich habe all meine Kräfte gesammelt und will mich aus Angelegenheiten heraushalten, die mich meiner Kraft berauben könnten. Gerne würde ich dir etwas zeigen, aber ich habe meinen Stab nicht bei mir, wie du sehen solltest.“
„Glaubst du nur, was du vermagst, oder weißt du es für dich ganz sicher, Merlin?“
„Hörn, ich werde auf die Gwyllons warten, und dann sehen wir, wohin
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