Myrddin
Wölfe sind meine besten Freunde, aber ich sehe, daß sich hier viel verändert, für das ich zu alt bin, Mladinska. Ich werde nicht mehr lange leben, und ich möchte, daß du meine Wölfe nach Hause bringst“, sagte Myrddin, ungerührt darüber, daß er über seinen eigenen Tod sprach.
„Du sterben …? Nix sterben …“, fiel Raimann in seine hilflose Ausdrucksweise zurück, so unsicher wurde er.
„Nein, höre mir zu. Morgen abend werde ich auch mit Ganymed sprechen. Ich werde mich von euch verabschieden. Ich fühle mich wirklich zu alt für euer Treiben. Aber meine Wölfe … Jemand muß sie nach Hause begleiten. Sie müssen zu ihrer Familie, Mladinska.“
„Was sagst du? Hunde sind zu Hause, wo ihr Herr ist.“
„Nein. Meine Wölfe sind zu Hause, wo ihr Wind ist. Sie gehören mir nicht und niemand ist ein Herr über einen wirklichen Hund.“
„Du hast sie gestohlen?“ fragte Raimann ängstlich, der Myrddin alle erdenklichen Taten und Streiche zutraute.
„Ach nein, es hat keinen Sinn, es dir zu erklären. Mladinska, versprichst du mir, die Wölfe nach Schweden zu bringen, wenn mir etwas passiert?“ fragte Myrddin und brachte seinen Wunsch in eine Form, die Raimann verstand.
„Was meinst du? Nichts wird geschehen!“
„Alexander, ich habe dir nicht die Worte beigebracht, damit du Unsinn redest. Ich möchte nur, daß du mir versprichst, falls mir etwas geschehen sollte, die Wölfe nach Schweden zu bringen – und das dann auf dem schnellsten Weg. Und du mußt mir versprechen, sie weder einzusperren noch irgendeinen Menschen an sie herankommen zu lassen. Willst du das für mich tun?“ fragte Myrddin eindringlich.
Raimann überlegte und wußte immer noch nicht genau, was Myrddin meinen könnte. Er arbeitete als Mechaniker in einem Zirkus, hatte kaum Geld, um sich eine Fahrkarte nach London zu kaufen, und Myrddin meinte, er sollte mit den zwei Wölfen nach Schweden reisen? Sollte er die Wölfe in Schweden freilassen? Was waren das für Gedanken, fragte er sich selbst. Was sollte er tun? Wie konnte es einen Menschen geben, der so etwas von ihm verlangte? Und wie konnte er einem Menschen nur ein solches Versprechen geben?
„Du wirst genug Geld bekommen, um nach Schweden reisen zu können, Mladinska“, beruhigte Myrddin seine oberste Sorge, die er in ihm gelesen hatte. „Ich werde mit Ganymed sprechen – und mache dir auch keine Sorgen über den Zirkus. Ich sage es dir, damit du siehst, wie es ist. Aber ich erwarte eigentlich von dir, daß du mir dieses Versprechen gibst, denn ich würde meine Wölfe niemand anderem anvertrauen als dir. Es ist eine Ehre für dich. Du bringst sie nach Schweden und wirst sie dort freilassen, Mladinska …“
„William, was kann ich sagen? Was weiß ich?“
„Versprich es mir unserer Freundschaft zuliebe, bitte.“
„Gut. Ich bringe Wölfe nach Schweden. Und dann?“
„Mladinska, wenn du sie bringst, schütze und begleite sie in der Menschenwelt – streichle sie aber niemals. Auch das mußt du mir versprechen. Du folgst ihnen und ehrst sie, und sie werden es dir danken. Aber komme ihnen nicht zu nahe. Es sind keine niedlichen Flugschweine oder kläffende Günstlinge. Schütze sie und bringe sie auf dem schnellsten Weg nach Schweden. Und ich … ich werde mit Ganymed sprechen“, sagte Myrddin froh und erleichtert, da er wußte, daß Raimann tun würde, was er sagte.
„Und Hirsch … William?“ fragte Raimann, dem noch nicht klar war, welches Versprechen ihm Myrddin abgerungen hatte und was der Zauberer meinte.
„O nein. Meinen Hirsch nehme ich mit mir, Mladinska.“
Raimann nickte, als sei nun alles besprochen und als hätte er verstanden, was er tun sollte.
„Du hast es mir versprochen, Mladinska, und ich nehme dich beim Wort!“ sagte Myrddin nochmals zu seiner Sicherheit.
„Ja, William. Ich bringe die Wölfe nach Schweden, und du gibst mir Geld, damit ich sie bringen kann. In Schweden lasse ich sie laufen, und dann … dann komme ich zurück zum Zirkus“, meinte Raimann. „Aber ich wissen nicht, warum du das sagst, William. Manchmal Menschen sehen Tod …! Hast du den Tod gesehen?“
„So kannst du es verstehen. Ich habe den Tod gesehen und er hat mich gerufen …“, lächelte Myrddin voll innerer Ruhe. „Frage mich aber bitte nicht weiter. Laß uns zu den Tieren gehen und anschließend sehen, ob die Tribünen schon gekommen sind“, meinte er, lachte Raimann an, der ihn mit verwunderten Augen betrachtete, und stand auf.
Aus dem
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