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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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mehr Platz, mehr Artisten, Akrobaten und Dressuren – dann wäre man wieder auf der sonnigen Seite des Lebens, auf der Gewinnerstraße der Macher , wie es Shenann gerne ausdrückte. Und er hielt sich für einen der Macher, für einen Verantwortungsträger mit dem richtigen Riecher für den Erfolg, doch schloß er sich tagsüber in seinem Büro ein, da er es nicht ertrug, wenn sich die Menschen um den Clown und nicht um ihn scharten. Solange nur die Einnahmen stimmten, wollte er das in Kauf nehmen, doch sobald er ein neues Zelt und neue Artisten haben würde, wäre Ganymed nur noch ein Name in einem Hauptprogramm vieler Höhepunkte. Und Shenann selbst würde derjenige sein, der diese Höhepunkte organisierte, der Direktor aller Sensationen, der Eigentümer von phantastischen Träumereien eines Zirkus. So dachte und so glaubte er. Deshalb ließ er noch das Volk in Ruhe und skizzierte schon visionär die Zukunft, kümmerte sich um Bristol, um seine Starmanege, um seine Befreiung und um das Ende eines ungerechten Lebens, das sich jetzt wieder verdientermaßen zum Besseren gewendet hatte. Raimann, so plante er, sollte einen Bauchladen bekommen und den Zuschauern Süßigkeiten verkaufen, und Kioskwagen sollten Backfisch, Pommes frites, Crêpes und Alkohol vor dem Zelt verkaufen können. Alles das wollte durchdacht und geplant sein. Ganapathy sollte sich um seine Nummer kümmern, und er wollte wieder einen Zirkus managen, der aus der Asche seiner selbst auferstanden war. Endlich konnte er wieder ein Zirkusdirektor sein – und wer hätte unter diesen Voraussetzungen nicht darauf gewettet, daß es mit der kleinen Eaves vielleicht doch noch klappen würde , meinte er.
    Die Karten für die Vorstellungen waren ausverkauft, bevor die erste stattgefunden hatte. Sie hätten Toilettenpapierrollen nehmen und die einzelnen doppellagigen Blätter als Eintrittskarten verkaufen können, so groß war die Nachfrage, und Ganapathy bereitete es Sorgen, wie sie all die Menschen in ihr Zelt bekommen sollten, die bereits Karten gekauft hatten. Auch fragte er sich, was er tun sollte, wenn Myrddin nicht mehr bei ihnen wäre. Wie sollte er allein die Vorstellung führen, wenn Ganymed wieder der Clown und nicht mehr der Jupitermond wäre? Was war das für eine Herausforderung, die sich unbemerkt in sein Leben geschlichen hatte? Und weshalb kam sie erst jetzt, da er sich ihr nicht mehr stellen konnte, weil er erblindete und herzkrank war?
    Er beobachtete, wie sich Raimann und Myrddin um die Tiere kümmerten, sah den großen Hirsch an seinem Pflock liegen und Gestalten sich verlegen über die Spielwiese stehlen, die ihn, den großen Ganymed, nicht zu belästigen wagten. Er hatte kurz vor Anbruch der Dunkelheit Regenwolken am Horizont aufziehen sehen und der Wetterbericht hatte seine Beobachtung bestätigt, obwohl die Prognosen andere gewesen waren. Es sollte am Wochenende nun doch Regen geben.
    Was vorher katastrophale Auswirkungen auf ihren Spielbetrieb gehabt hätte, war Ganymed jetzt egal, da die Karten, mehr als sie für die ganze Spielsaison hatten drucken lassen, bereits in Northampton verkauft worden waren. Ob die Leute wirklich kommen oder es sich vielleicht anders überlegen sollten, war unter diesen Voraussetzungen gleichbedeutend. Plätze gäbe es ohnehin nicht genug, würden alle kommen, die Karten erstanden hatten. Die Hauptsache war, daß sie Geld eingenommen hatten und daß die Einnahmen die Unkosten deckten. Doch was würde werden, wenn Myrddin mit seinem Hirsch und den Grauwölfen verschwinden würde? Und weshalb verriet ihm Myrddin nicht das Geheimnis seiner Laterna magica ? Wenn er doch nur eine Saison bliebe, die er bei dem Zirkus durchspielen könnte, dann hätten sie ausgesorgt – und dann könnten sich Myrddin verabschieden. Außerdem wäre das nur fair. Ganapathy könnte sich dann auf sein Altenteil zurückziehen. Doch weshalb ließ er Myrddin überhaupt gewähren? Und was wollte der Mann in Amesbury? Wenn er ihn hinbringen würde, könnte er ihn vielleicht noch überzeugen und umstimmen, doch noch zu bleiben, dachte der Clown, saß auf den Stufen seines Wohnwagens, spielte mit einem Pappkarton und wartete auf Eaves’ Ruf zum Abendbrot. Weshalb eigentlich gaben sie noch Vorstellungen am Freitag und am Sonnabend? Jedermann des Ensembles wußte, daß die Menschen nur wegen des Clowns kamen, und trotzdem hatten sie die Freitags- und Sonnabendvorstellungen nicht abgesetzt. Irgendeine Bedeutung mußte das haben. Das Leben hatte

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