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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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ja auch seinen verborgenen Sinn. Und so wie das Leben hatte auch alles andere einen tieferen Sinn. Er wollte nur entdeckt werden.
    Myrddin war von Ganapathy freigestellt worden, um sich auf seine Vorführung vorbereiten zu können, um die er ebenso ein Geheimnis machte wie um seine Bekannte, die er erwartete. Aus Myrddin war für den Clown nichts herauszubekommen. Eigentlich verhielt er sich völlig untypisch für jemanden, der auf die Gunst des Publikums und auf seine persönliche Ausstrahlung angewiesen war. Myrddin stellte seine Nummern und Ideen nicht vor, fragte nicht nach Verbesserungen, gab keine Erklärungen, keinen Kommentar und interessierte sich nicht für das Brot der Künstler , für die Kritik an seinem Handwerk. Er sprach mit hohlen Bildern und besaß etwas tatsächlich Magisches. Normalerweise sind das die klassischen Symptome für Wahnsinn , überlegte Ganapathy. Er sprach von der Sonne und zog einen Vergleich von ihrem Wesen zu seinem. Warum konnte er zum Vergleichen nicht von Ameisen oder Bienen sprechen? Was war das für eine menschliche Vermessenheit? Und hatte er ihn jemals schlafen sehen? Nein. Jede Nacht war Myrddin mit seinen Puppen und seinen Tieren draußen gewesen. Jede Nacht war er nach seiner Arbeit irgendwo draußen verschwunden. Er benutzte die Handtücher von Ganapathy, seinen Rasierschaum und seine Klingen, doch was wußte der Clown von dem Mann, mit dem er seinen Wohnwagen teilte? Er hatte ein Lederpaket unter das Kopfkissen seiner Pritsche gelegt, die er niemals benutzt hatte, und besaß einen Holzstab, der in seinem Knauf an ein Gehörn erinnerte. Ganapathy hatte ihn einmal angefaßt. Er war seidenweich wie Taft gewesen und hatte ein bemerkenswertes Gewicht, so daß es ihn verwundert hatte, wie Myrddin diesen Stab hatte tragen können. Aber er wollte sich nicht bloßstellen, indem er Myrddin danach fragte.
    Je länger Myrddin bei ihnen war, desto weniger kannte der Clown den Seher. Mit jedem Tag hatten sich neue Rätsel aufgetan, wenn er es recht bedachte. Myrddin aß anders, als sie es taten. Bevorzugt trank er Wasser. Eigentlich war er ein vorsichtiger, zurückhaltender, scheuer Mensch, der dennoch auf andere zuging. Er schlief offenbar mit seinen Tieren draußen und arbeitete unermüdlich, gleichwohl er für seine Arbeit nichts empfand. Er sprach von Menschen, als fühle er sie anders und als sei er selbst nur der gelöste Teil eines Menschen. Trotzdem hatte er Raimann flüssiges Sprechen beigebracht. Er war gebildet, teilte sich jedoch nicht mit. Und Ganapathy spürte seine eigene Logik schwinden, fühlte sie schwanken und in Aufruhr geraten und kam zu dem gedanklichen Schluß, Myrddin müsse ein personifizierter Syllogismus sein, eine Erscheinung, ein biochemisches Phänomen, eine Geistgestalt. Es müsse sich bei William Myrddin nur um einen Kunstbegriff handeln.
    Nach dem Abendessen, an dem Myrddin wie meistens nicht teilgenommen hatte, saßen Ganapathy und Eaves noch zusammen, als es plötzlich an der Wagentür klopfte. Eaves stand auf, ging zur Tür und öffnete sie. Draußen stand ein junges Mädchen, das sich verlegen nach Eintrittskarten für den Zirkus erkundigte.
    „Kleine, siehst du nicht, der Kartenvorverkauf ist da drüben“, sagte Eaves und deutete auf den Wohnwagen von Shenann, in dem kein Licht mehr brannte.
    „Ich habe geklopft, aber niemand hat mir geöffnet.“
    „Dann mußt du morgen einfach noch einmal kommen“, erwiderte Eaves freundlich.
    „Ich bin extra von Coventry hergekommen, um Karten zu kaufen“, ließ sich die Kleine nicht so schnell abwimmeln.
    „Was? Extra von Coventry? Ist das nicht ’ne ganze Ecke weg von hier?“ fragte Eaves, obwohl sie zu wissen glaubte, wie weit die Stadt von Northampton entfernt war. „Und du bist allein hergekommen?“
    „Ja … das bin ich. Und ich möchte gerne zwei Karten kaufen. Für Sonntag …“
    „Für den großen Ganymed … was“, lächelte Eaves.
    „Ja, genau. Wir wollen einmal den Clown Ganymed sehen“, erklärte das Mädchen.
    „Ganymed …? Was machen wir?“ fragte Eaves in den Wohnwagen hinein.
    „Sage ihr, daß wir keine Karten mehr haben, und schick sie weg“, rief der Clown, und Eaves bedauerte, daß es keine Karten mehr gäbe, meinte aber, daß man nach Bristol reisen würde und dort Karten für sie zurücklegen könne, wenn sei es wolle.
    Das Mädchen war darauf nicht vorbereitet und stand ratlos vor dem Wohnwagen. „Nach Britstol können wir nicht kommen, weil wir nach London

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