Myrddin
darauf erwidern? Die Blondelfen, von denen er geträumt haben mußte, nannten ihn Myrddin. Sie hatten ihn immer bei seinem alten walisischen Namen genannt. Und er wußte aus Berichten, die er gelesen hatte, daß die modernen Menschen einen zweiten Namen hatten, bei dem sie sich gegenseitig riefen. Welchen Namen sollte er nehmen, ohne ihn durch sich zu entehren oder durch ihn entehrt zu werden? Sofort kam ihm Shakespeare in den Sinn – der englische Dichter, der ihn lächerlich hatte machen wollen. William Shakespeare hatte ihn verhöhnt und verspottet. Dieser Name war für Merlin nicht zu beschmutzen, denn Shakespeare hatte ihn, Merlin, mit Schmach überzogen. Er hatte ihn der Volksbelustigung preisgegeben.
Ja, ich werde mich William nennen … WILLIAM MYRDDIN , dachte er sich. Wer schon würde seinen walisischen Namen heute noch kennen. Und Shakespeare würde er es heimzahlen, indem er sich seines Namens bediente.
Palluck war kaum damit fertig, seinen Mantel aufzuhängen, als er sich zu Tralee umdrehte und sie befragte.
„Hat er dich wirklich Mylady genannt? Vielleicht hat sein Kopf in der Kälte gelitten, Leslie. So was soll schon vorgekommen sein“, sagte er und setzte sich an den Tisch zu seiner Freundin. Er schaute Merlin an, während Tralee ihm lachend erwiderte:
„Mag sein, Jerry, daß du einen guten Teil deines Verstandes bewußt ertränkt hast … um es einmal so zu sagen. Aber der Mann in deinem Bett scheint wahrlich weder seinen Verstand verloren zu haben noch ein Trinker zu sein.“ Sie schaute Merlin froh an, stand auf, ging zu seinem Bett, reichte ihm die Hand und sagte ihm, daß sie Leslie Tralee heiße und sich darüber freuen würde, wenn er sie einfach bei ihrem Vornamen anrede – ganz unkompliziert – und daß er sie ruhig duzen solle.
Duzen, wie ich Tiere duze ? fragte sich Merlin. Aber wenn sie es so haben wollte, würde er sie Leslie und du nennen.
„Und Sie, mein Herr? Dürfte ich Ihren erlauchten Namen erfahren und Sie ebenfalls mit du ansprechen?“ fragte er Palluck freundlich, während er noch die Hand von Tralee hielt. Palluck nickte nur geistesabwesend. Danach fragte Tralee Merlin, wie er heiße.
„O ja, selbstverständlich … natürlich …“ redete Merlin etwas verwirrt, da er hoffte, seinen Namen überzeugend vorzutragen und da ihn die Freundlichkeit der Frau überraschte. „Nennt mich doch bitte William Myrddin, nein …“, stammelte er, da er sowohl William als auch Myrddin schwer über die Lippen brachte – schwerer als Merlin, als der Freund der Tiere, als der Freund der Wälder, als der Seher und Zauberer. „Und wenn Ihr … äh, du, liebe Leslie, mir die Ehre antust, so nenne mich einfach William. Was meint Ihr …, nein: was meinst du …?“ berichtigte er sich unsicher und kannte den Namen Pallucks immer noch nicht.
„William. Das ist ein Wort. Und Myrddin …? Ist das nicht walisisch …?“
„Ja … ich denke schon. Meine Familie kam aus Wales, meine ich“, erfand Myrddin frei und Tralee setzte sich wieder zu Palluck an den Tisch und freute sich über den erstaunlich quicken, redegewandten Alten, der in dem Bett von Palluck lag.
„Das übrigens ist Jeremiah Palluck. Aber wir nennen ihn alle nur Jerry, oder Old Jerry. Manchmal ist er etwas ungehobelt, William. Das liegt daran, daß er die meiste Zeit hier allein ist. In Wahrheit jedoch ist er nur unbeholfen, aber herzensgut, wenn er einmal aufgetaut ist. Lasse dich also nicht durch seine harte Schale täuschen“, sagte Tralee. „Ach Gott! Das Essen! Das haben wir total vergessen …“, rief sie und stand eilig auf, um an die Herdplatte zu kommen. Sie hatte für Palluck und sich einen Stew gemacht, rührte ihn im Topf um und meinte, daß er etwas verkocht sei, doch sicherlich noch schmecken würde. Und sie fragte Myrddin, ob er nicht teilnehmen wolle.
Myrddin lehnte dankend ab, freute sich, daß das Schwierigste hinter ihm lag, und setzte sich selbstzufrieden auf sein Kissen zurück. Er sah zur Decke, während Tralee zwei Teller aus dem Schrank holte, sie auf den Tisch stellte und für Palluck und sich den Stew einfüllte. Dann begannen sie zu essen.
Myrddins Augen brannten, als er seine Reise gedanklich zusammenfassen wollte. Er war in Norwegen aufgebrochen. Hörn und die Wölfe waren bei ihm gewesen. Gemeinsam waren sie über das Eis gelaufen und hatten sich schließlich getrennt. Hörn, Pacis und Akita waren auf dem Weg nach England, und er wollte zu den Shetlands, um sich auf England
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