Myriams letzte Chance
Frida jemals zureiten soll, wenn Fritz sich so anstelltâ, sagte April.
âBis dahin ist ja noch ein bisschen Zeitâ, wandte Myriam ein.
âIhr wartet hier immer lange mit dem Einreitenâ, sagte April. âWir Amerikaner sind da schneller. Ich hab bei Charlie mit der Bodenarbeit begonnen, als er gerade ein Jahr alt war.â
Danach schluckte sie hörbar.
Auch Myriam schwieg betreten.
Charlie. Wo er wohl gerade stecken mochte? Man konnte ihm wirklich wünschen, dass Ella ihn gestohlen hatte und nicht Merle. Bei Ella konnte man sich sicher sein, dass es dem Wallach gut ging. Sie hatte selbst ein Pferd und würde Charlie ordentlich füttern und gut behandeln. Merle dagegen ⦠Myriam musste wieder daran denken, wie sie gestern auf der nassen Parkbank das Bier getrunken hatte.
âWas wolltest du mir denn eigentlich erzählen?â, fragte sie April dann.
âO yes. Rightâ , sagte April. Dann schwieg sie, als müsste sie sich erst mühsam erinnern. âItâs about Sunday night.â
âSonntagnacht?â Myriam drehte sich im Sattel zu April um, die schräg hinter ihr ritt. Sues Nichte war bleich, als wäre ihr schlecht. Myriam beschloss, einen Sprung ins Ungewisse zu wagen.
âGeht es um Tom?â, fragte sie.
April fiel fast vom Pferd. âWie kommst du denn darauf?â
âIch hab euch gesehen. In der Scheune.â
âDu hast uns gesehen?â
âAls ihr euch geküsst habt. Ganz genau.â
âOh my god. I feel ⦠horrible.â
Du hast auch allen Grund, dich zu schämen, dachte Myriam. âWarum hast du das gemacht?â, fragte sie laut. âDu wusstest doch, dass er eine Freundin hat.â
â I know . Es war nur ⦠wir haben uns den ganzen Abend so gut unterhalten. Tom ist total nett. Und dann hat er mich gefragt, ob ich Lust auf eine kleine Nachtwanderung hätte. Er kennt sich nämlich mit dem Sternenhimmel aus und wollte mir da was zeigen.â
âNa, das ist ja mal eine ganz neue Mascheâ, sagte Myriam verächtlich. âUnd du hast dich darauf eingelassen? Wusstest du denn nicht, was er vorhatte?â
âNa jaâ, sagte April kläglich. Dann schwieg sie wieder. âDochâ, gab sie schlieÃlich zu. âNatürlich wusste ich, was er wollte. Und so kam es dann auch. Wir sind erst ziemlich lang spazieren gegangen. Dann sind wir in die Scheune und haben â¦â
â⦠rumgeknutscht.â
âGenau.â
âWarum hast du dich überhaupt mit ihm getroffen, wenn du von vornherein gewusst hast, worauf das hinausläuft?â, fragte Myriam.
âBecause I wanted itâ , flüsterte April so leise, dass Myriam sie über dem Getrappel der Pferdehufe kaum verstehen konnte.
Because I wanted it . Weil ich es wollte.
Wenn Myriam ehrlich war, dann hätte sie es selbst nicht anders gemacht. Wenn Tom sie gefragt hätte, ob sie sich nach der Party mit ihm treffen wollte, um die Sterne zu betrachten, wäre sie auch hingegangen. Ella hin oder her.
Aber Tom hatte sie nicht gefragt. Weil er nur Augen für April gehabt hatte.
Deshalb war ich so sauer auf sie, stellte Myriam fest. Es ging mir gar nicht um die arme Ella. Ich war bloà eifersüchtig.
âWarum erzählst du mir das alles?â, fragte sie April. âHast du mitbekommen, dass ich euch beobachtet habe?â
âNoâ , wehrte April ab. âIch finde dich einfach nett. Und ich wollte, dass du das weiÃt.â
Myriam nickte, aber das konnte April nicht sehen, weil sie inzwischen ein Stück vor ihr ritt.
âStupid, isnât it?â , fragte April mit belegter Stimme.
Auch Myriam musste sich erst räuspern, bevor sie antworten konnte.
âIch findâs nicht blödâ, meinte sie. âIch finde dich nämlich auch nett.â
âJetzt auch noch?â, fragte April kläglich.
Myriam lächelte. âJetzt auch noch. Und ich bin froh, dass du mir das mit Tom erzählt hast. Auch wenn ich es schon vorher wusste.â
âIch bin auch frohâ, sagte April. Und obwohl Myriam ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie, dass sie dabei lächelte.
âHast du dir mal überlegt, dass euch vielleicht noch jemand beobachtet hat?â, fragte Myriam, als sie kurze Zeit später am Bachufer aus dem Sattel sprangen.
âDu meinst Sue?â, fragte April. âAber wenn sie mich gesehen hätte,
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