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Myron Bolitar 03 - Der Insider

Myron Bolitar 03 - Der Insider

Titel: Myron Bolitar 03 - Der Insider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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Frieden.
    Bowman ging die Zufahrt rechts von der Kathedrale hinunter. Myron wusste, dass in dieser Richtung ein Obdachlosenheim lag. Er überquerte die Straße und versuchte, weiter auf Distanz zu bleiben. Bowman kam an einer Gruppe offenbar obdachloser Männer vorbei - alle trugen abgerissene Synthetik-kleidung und tief herunterhängende Hosen. Ein paar begrüßten Bowman mit einem Winken und riefen ihm ein paar Worte zu. Bowman winkte zurück. Dann verschwand er in einem Eingang. Myron überlegte, was er tun sollte. Eigentlich hatte er keine Wahl. Er musste hineingehen, auch wenn dadurch seine Tarnung aufflog.
    Er ging an den Männern vorbei, nickte, lächelte. Sie nickten und lächelten zurück. Der Eingang zum Obdachlosenheim war eine schwarze, zweiflügelige Tür mit spießigen Spitzenvorhängen. In der Nähe hingen zwei Schilder - auf dem einen stand LANGSAM FAHREN - SPIELENDE KINDER, auf dem anderen KATHEDRALENSCHULE. Ein Obdachlosenheim und eine Grundschule direkt nebeneinander - eine interessante, aber funktionierende Kombination. So etwas gab es nur in New York.
    Myron trat ein. Der Raum war voll durchgelegener Matratzen und gereizter Männer. Ein Geruch wie von einer benutzten Wasserpfeife nach einer nächtlichen Sexorgie verätzte ihm die Nasenhaare. Myron versuchte, keine Grimasse zu ziehen. Er sah, dass Bowman in einer Ecke mit ein paar Männern sprach. Cole Whiteman alias Norman Lowenstein war nicht dabei. Myron ließ den Blick über die unrasierten Gesichter und leeren Augen schweifen.
    Sie sahen einander genau im gleichen Moment.
    Ihre Augen hefteten sich quer durch den Raum nur eine Sekunde aufeinander, aber das war lang genug. Cole Whiteman drehte sich um und rannte los. Myron bahnte sich den Weg durch die Menschenmenge und folgte ihm. Professor Bowman bemerkte die Störung. Mit flammendem Blick sprang er Myron in den Weg. Myron senkte die Schulter und rannte ihn um, ohne das Tempo zu verringern. Genau wie Jim Brown. Nur dass Jim Brown das beim Football mit Männern wie Dick Butkus und Ray Nitschke machen musste, nicht mit einem fünfzigjährigen Professor, der trotz seines Bäuchleins vermutlich keine 80 Kilo wog. Aber immerhin.
    Cole Whiteman verschwand durch einen Hinterausgang und warf die Tür hinter sich zu. Myron kam kurz nach ihm hindurch. Jetzt waren sie im Freien, aber nur kurz. Whiteman lief eine Metalltreppe hinauf und verschwand im Hauptschiff der Kathedrale. Myron folgte ihm. Drinnen war es ähnlich wie draußen - beeindruckende Zeugnisse von bildender Kunst und Architektur verbanden sich zusammen mit Kaputtem und Kitsch zu einer seltsamen Einheit. So bestanden die Sitzreihen aus billigen Klappstühlen, üppige Wandteppiche hingen scheinbar willkürlich verteilt vor kahlen Granitwänden, und überall standen Leitern, die teilweise zu dicken Säulen gebündelt waren.
    Myron sah, dass Cole durch eine nahegelegene Tür wieder nach draußen lief. Er sprintete ihm nach, seine Schritte hallten unter der riesigen Gewölbedecke. Jetzt waren sie wieder im Freien. Cole eilte auf eine schwere Brandschutztür unter der Kathedrale zu. Auf einem Schild stand A.C.T. PROGRAM. Es sah aus wie eine im Keller gelegene Schule oder ein Hort. Sie rannten einen von zerbeulten Metallschließfächern gesäumten Flur hinunter. Cole bog rechts ab und verschwand durch eine Holztür.
    Als Myron die Tür aufstieß, stand er vor einem dunklen Treppenhaus. Unter sich hörte er Schritte. Myron trabte die Treppe hinunter, wobei das Licht von oben mit jedem Schritt schwächer wurde. Er stieg tief in die Katakomben der Kathedrale hinunter. Die Zementwände waren klamm. Er fragte sich, ob er auf dem Weg in eine Krypta, eine Gruft oder etwas ähnlich Unheimliches war, wenn es denn so etwas gab. Hatten amerikanische Kathedralen überhaupt Krypten, oder gab es die nur in Europa?
    Als er die letzte Stufe erreicht hatte, war Myron von absoluter Dunkelheit umgeben. Das Licht über ihm war nur noch ein ferner Schimmer. Toll. Er war in ein schwarzes Loch geraten. Er legte den Kopf schräg und lauschte wie ein Hund bei der Jagd. Nichts. Er tastete nach einem Lichtschalter. Wieder nichts. Die windstille Kälte hier unten drang ihm in die Knochen. Ein fauliger Geruch lag in der Luft. Es gefiel ihm nicht hier unten. Es gefiel ihm ganz und gar nicht.
    Mit ausgestreckten Armen wie Frankensteins Monster tastete er sich voran. »Cole«, rief er. »Ich will nur mit Ihnen reden.«
    Seine Worte hallten durch die Gänge und verklangen dann

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