Myron Bolitar 03 - Der Insider
fort. »Das Ganze war Hunts Idee. Er wollte es seinem Alten zeigen, also hat er sich gedacht, wie kann ich das besser tun, als ihm das Geld abzunehmen und ihn hinterher in Verlegenheit zu bringen? Aber dann haben uns diese Scheiß-Kopfgeldjäger überrascht und Hunt hat sich eine andere Rache überlegt.« Cole atmete tief und stoßweise. »Er ist mit der Waffe rausgerannt, hat Du kannst mich mal, Dad gerufen und sich dann in den Kopf geschossen.«
Myron sagte nichts.
»Gucken Sie sich doch unsere Vorgeschichte an«, sagte Cole Whiteman fast flehend. »Wir waren ein paar harmlose Rumhänger. Wir sind auf Antikriegsdemos gegangen. Wir haben viel gekifft. Wir waren nie gewalttätig. Außer Hunt hat keiner von uns eine Waffe gehabt. Er war mein Mitbewohner und mein bester Freund. Ich hätte ihm nie was antun können.«
Myron wusste nicht, was er davon halten sollte - er hatte auch nicht die Zeit, sich über einen zwanzig Jahre alten Mord Gedanken zu machen. Er wartete darauf, dass Cole fortfuhr und sich die Vergangenheit von der Seele redete, aber der sagte nichts mehr. Schließlich wechselte Myron das Thema. »Haben Sie Greg Downing in Liz Gormans Haus gehen sehen?«
Cole nickte langsam.
»Sie hat ihn erpresst?«
»Nicht sie allein«, korrigierte er. »Das ist meine Idee gewesen.«
»Was haben Sie denn gegen Greg in der Hand gehabt?«
Cole schüttelte den Kopf. »Das spielt jetzt keine Rolle.«
»Aber wahrscheinlich ist sie deshalb umgebracht worden.«
»Wahrscheinlich«, gab Cole zu. »Aber Sie brauchen die Einzelheiten nicht zu kennen. Glauben Sie mir.«
Myron war in keiner guten Verhandlungsposition. »Erzählen Sie mir von der Nacht, in der sie ermordet wurde.«
Cole kratzte sich heftig die Bartstoppeln. »Wie schon gesagt«, begann er, »hatte ich mich auf der anderen Straßenseite versteckt. Wenn man im Untergrund lebt, lebt man nach bestimmten Regeln - Regeln, die uns zwanzig Jahre lang das Leben und die Freiheit erhalten haben. Eine davon ist, dass wir nach einer Straftat nie zusammenbleiben. Das FBI sucht nach einer Gruppe, nicht nach ein paar einzelnen Leuten. Seit wir hier in New York sind, haben Liz und ich uns nie zusammen blicken lassen. Wir haben nur über Münztelefone Kontakt gehabt.«
»Was ist mit Gloria Katz und Susan Milano?«, fragte Myron. »Wo sind die?«
Cole lächelte freudlos. Myron bettachtete die fehlenden Zähne und fragte sich, ob sie Teil der Verkleidung waren oder ob es dafür noch andere, dunklere Hintergründe gab. »Das erzähl ich Ihnen ein andermal«, sagte er.
Myron nickte. »Fahren Sie fort.«
Die Falten in Coles Gesicht wirkten im Schein der nackten Birne tiefer und dunkler. Er ließ sich Zeit mit der Fortsetzung. »Liz hatte gepackt und sich reisefertig gemacht«, sagte er schließlich. »Wir wollten die Kohle kassieren und die Stadt verlassen, wie geplant. Ich hab auf der anderen Straßenseite nur noch auf ihr Zeichen gewartet.«
»Was für ein Zeichen?«
»Wenn sie das ganze Geld zusammenhatte, sollte sie das Licht dreimal ein- und ausschalten. Damit sollte sie mir mitteilen, dass sie in zehn Minuten unten ist. Wir wollten uns am U-Bahnhof an der 116th Street treffen und dann die Eins nehmen. Aber sie hat mir kein Zeichen gegeben. Das Licht in ihrem Zimmer ist überhaupt nicht ausgegangen. Ich konnte natürlich nicht nachsehen. Dafür gab es auch Regeln.«
»Von wem sollte Liz in dieser Nacht kassieren?«
»Von drei Leuten«, sagte Cole und hielt Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger hoch. »Greg Downing ...«, er klappte den Ringfinger ein, »... seiner Frau, wie heißt die noch?«
»Emily.«
»Genau, Emily.« Der Mittelfinger verschwand. »Und von dem Alten, dem die Dragons gehören.« Seine Hand war zur Faust geworden.
Myrons Herz zog sich zusammen. »Moment«, sagte er. »Clip Arnstein sollte da auftauchen?«
»Er sollte nicht nur«, korrigierte Cole, »das ist er auch.«
Eine dunkle Kälte kroch Myron in die Knochen. »Clip ist da gewesen?«
»Ja.«
»Und die anderen beiden?«
»Die waren alle da. So war das aber gar nicht geplant gewesen. Liz und Downing sollten sich in einer Bar in der Innenstadt treffen. Er hätte ihr das Geld da übergeben sollen.«
»Im Swiss Chalet?«
»Genau.«
»Aber Greg ist auch zu ihr in die Wohnung gekommen?«
»Später dann, ja. Aber Clip Arnstein ist als Erster da gewesen.«
Myron fiel wieder ein, dass Win ihn vor Clip gewarnt hatte, weil der ihn zu gerne mochte und nicht objektiv war. »Wie viel
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