Myron Bolitar 03 - Der Insider
Jurist. Win war der Betriebswirtschaftler. Esperanza war das Mädchen für alles, das unerschütterliche Chamäleon, das den Laden im Griff hatte. Es funktionierte prächtig.
»Ich muss mit dir reden«, sagte er noch einmal
»Wir reden gleich«, sagte sie knapp. »Aber jetzt geh erst mal ans Telefon.«
Myron betrat sein Büro. Er konnte auf die Park Avenue hinuntersehen. Eine tolle Aussicht. An einer Wand hingen Plakate von Broadway-Musicals, an einer anderen Fotos von Filmausschnitten mit Myrons Lieblingsschauspielern: den Marx Brothers, Woody Allen, Alfred Hitchcock und ein paar anderen Klassikern. Die dritte Wand schmückten Fotos von Myrons Klienten. Sie war etwas kahler, als Myron es sich gewünscht hätte. Er stellte sich vor, wie sie mit einem Spieler aus der ersten Runde des NBA-Drafts in der Mitte aussehen würde.
Gut, stellte er fest. Sehr gut sogar.
Er setzte sein Headset auf.
»Hallo, Perry.«
»Mann, Myron, ich hab schon den ganzen Tag versucht, Sie zu erreichen.«
»Mir geht's gut, Perry. Und Ihnen?«
»Ich will ja nicht ungeduldig sein, aber es ist wichtig. Haben Sie schon was zu meinem Boot?«
Perry McKinley war Golfer. Er war Profi, aber keine große Nummer. Er verdiente ein bisschen Geld, man musste aber schon ein echter Golf-Fan sein, um seinen Namen zu kennen. Perry ging gerne Segeln und brauchte ein neues Boot.
»Ja, ich hab was«, sagte Myron.
»Welcher Hersteller?«
»Prince.«
Perry klang nicht begeistert. »Die sind grade mal so okay«, nörgelte er. »Nichts Besonderes.«
»Die tauschen Ihr altes Boot gegen das neue ein. Sie müssen nur fünf Werbetermine für sie absolvieren.«
»Fünf?«
»Ja.«
»Für ein 18-Fuß-Boot von Prince? Das ist zuviel.«
»Ursprünglich haben sie zehn verlangt. Aber das ist Ihre Entscheidung.«
Perry dachte kurz darüber nach. »Scheiß drauf, sagen Sie zu. Aber vorher würde ich das Boot gern sehen. Ein richtiges 18-Fuß-Boot,ja?«
»Das haben sie gesagt.«
»Na dann. Danke, Myron. Sie sind der Beste.«
Sie legten auf. Tauschhandel - ein wichtiges Element der Multitasking-Umgebung eines Agenten. In diesem Geschäft zahlte niemand für irgendetwas. Eine Hand wusch die andere. Konsumgüter wurden gegen Werbung getauscht. Sie brauchen ein Hemd? Tragen Sie's in der Öffentlichkeit. Ein Auto gefällig? Schütteln Sie bei ein paar Autoshows die Hände. Die großen Stars wurden für ihre Werbeauftritte bezahlt. Die weniger bekannten Sportler griffen gierig nach den Werbegeschenken.
Myron starrte den Nachrichtenstapel an und schüttelte den Kopf. Für die Dragons spielen und MB SportsReps über Wasser halten - wie sollte er das bloß hinkriegen?
Er rief Esperanza über die Sprechanlage. »Komm doch bitte mal rüber«, sagte er.
»Ich bin mitten ...«
»Sofort.«
Stille.
»Hach«, sagte sie, »du bist ein solcher Macho.«
»Bitte, jetzt mal im Ernst.«
»Im Ernst, ich fürchte mich so. Am besten lasse ich alles stehen und liegen und willfahre dir unverzüglich.«
Sie ließ den Hörer fallen und hastete in fingierter Angst und Atemlosigkeit zur Tür herein. »Schnell genug?«
»Ja.«
»Also, um was geht's?«
Er berichtete. Als er zu seinem Engagement bei den Dragons kam, war er wieder überrascht, keine Reaktion zu sehen. Es war seltsam. Zuerst Win, jetzt Esperanza. Die beiden waren seine engsten Freunde. Es war ihr Lebensinhalt, sich über ihn lustig zu machen. Und doch hatte keiner der beiden diese Gelegenheit genutzt. Das Schweigen, mit dem sie sein »Comeback« quittierten, beunruhigte ihn ein bisschen.
»Das wird deinen Klienten nicht gefallen«, sagte sie.
»Unseren Klienten«, korrigierte er.
Sie verzog das Gesicht. »Fühlst du dich besser, wenn du so gönnerhaft bist?«
Myron ignorierte ihren Kommentar. »Wir müssen es als Vorteil hinstellen«, sagte er.
»Wie soll das denn gehen?«
»Weiß ich auch noch nicht«, sagte er nachdenklich. Er lehnte sich zurück. »Wir könnten sagen, dass die Publicity ihnen zugute kommt.«
»Und wie?«
»Ich kann neue Kontakte knüpfen«, sagte er und baute die Idee aus, während er sprach. »Ich habe mehr Kontakt zu Sponsoren und kriege einen besseren Einblick. Ich werde bekannter, und damit werden natürlich auch meine Klienten bekannter.«
Esperanza schnaubte. »Und du glaubst, die schlucken das?«
»Wieso nicht?«
»Weil es Bullshit ist. Und damit werden natürlich auch meine Klienten bekannter.» Klingt wie die alte Trickle-down-Wirtschaftstheorie.«
Da war was dran. »Ist das
Weitere Kostenlose Bücher