Myron Bolitar 03 - Der Insider
Schlüssel zu. Mario parkte den Ford Taurus nicht vorne neben den Rolls Royces, den Mercedessen und Wins Jaguar, sondern weiter hinten, wo es ihm meist gelang, ein lauschiges Plätzchen unter einem Nistplatz inkontinenter Tauben zu finden. Sein Auto wurde diskriminiert. Eine unschöne Sache, und doch unternahm niemand etwas dagegen.
Das Lock-Home-Securities-Gebäude lag an der Park Avenue Ecke 46th, im rechten Winkel zum Heimsieg-Gebäude. Die Mieten waren horrend. Auf der Straße herrschte das geschäftige Treiben der Großfinanz. Mehrere Stretch-Limousinen parkten in zweiter Reihe. Die hässliche moderne Plastik, die aussah wie ein Haufen Eingeweide, stand kläglich auf ihrem Platz. Männer und Frauen im Geschäftsanzug saßen auf den Stufen und schlangen gedankenversunken ihre Sandwichs hinunter, viele sprachen mit sich selbst, bereiteten sich auf ein wichtiges Meeting am Nachmittag vor oder rekapitulierten einen morgendlichen Fehler. Wer in Manhattan arbeitete, lernte rasch, wie man in einer Menschenmenge allein bleiben konnte.
Myron trat in die Lobby und drückte den Fahrstuhlknopf. Et nickte den drei Lock-Home-Hostessen zu, die allgemein als Lock-Horne-Geishas bekannt waren. Sie waren Möchtegern-Models oder Schauspielerinnen und sollten die großen Tiere zu den Büros der Lock-Home Securities hinaufbegleiten und dabei hübsch aussehen. Win hatte die Idee auf einer Geschäftsreise nach Fernost aufgeschnappt. Myron ging davon aus, dass man noch sexistischer sein konnte, hätte aber nicht genau sagen können, wie. Esperanza Diaz, seine geschätzte Geschäftspartnerin, begrüßte ihn, als er durch die Tür kam: »Wo zum Teufel bist du gewesen?«
»Ich muss mit dir reden«, sagte er.
»Später. Du hast eine Million Nachrichten.«
Esperanza trug eine weiße Bluse - absolut umwerfend bei ihrem dunklen Haar, den dunklen Augen und dieser dunklen Haut, die wie das Mittelmeer bei Mondschein schimmerte. Esperanza war mit siebzehn von einem Scout als Model entdeckt worden, aber ihre Karriere hatte ein paar merkwürdige Schlen-ker gemacht, und schließlich war sie im Profi-Catchen groß rausgekommen. Ja, im Profi-Catchen. Sie war als Little Poca-hontas, die tapfere Indianerprinzessin, bekannt geworden, das Prunkstück der Fabulous Ladies of Wrestling (FLOW). Ihr Kostüm war ein Seidenbikini gewesen, und im Moraltheater des Profi-Catchens hatte sie immer die Gute gespielt. Sie war jung, zierlich, straff, schön und trotz ihrer lateinamerikanischen Herkunft dunkelhäutig genug, um als Indianerin durchzugehen. Ethnische Details spielten bei FLOW keine Rolle. Der richtige Name von Mrs Saddam Hussein, der bösen Haremsdame mit dem schwarzen Schleier, war Shari Weinberg.
Das Telefon klingelte. Esperanza nahm ab. »MB SportsReps. Einen Moment, er steht direkt neben mir.« Sie sah Myron an. »Perry McKinley. Das ist schon das dritte Mal heute.«
»Was will er denn?«
Sie zuckte die Achseln. »Manche Leute sprechen nicht gern mit dem Hilfspersonal.«
»Du bist kein Hilfspersonal.«
Sie sah ihn ausdruckslos an. »Gehst du jetzt dran oder nicht?«
Ein Sportagent musste - in der Computerterminologie - multitaskingfähig sein und die unterschiedlichsten Leistungen auf Knopfdruck erbringen können. Es ging nicht nur einfach ums Verhandeln. Von einem Agenten erwartete man, dass er Buchhalter, Finanzplaner, Immobilienmakler, Händchenhalter, Reiseleiter, Familienberater, Eheberater, Chauffeur, Laufbursche, elterlicher Beistand, Lakai, Arschkriecher und so weiter war. Wenn man nicht bereit war, all das für einen Klienten zu erledigen - eine »Füll Service Agentur« zu sein - standen die Mitbewerber schon Schlange.
Allein war man verloren. Nur mit einem Team konnte man da mithalten, und Myron fand, dass es ihm gelungen war, eine kleine, aber äußerst effektive Mannschaft zusammenzustellen. Win kümmerte sich um die gesamten Finanzen von Myrons Klienten. Er richtete für jeden Klienten ein spezielles Portfolio ein und ttaf sich mindestens fünfmal im Jahr mit ihnen, um sicherzugehen, dass sie wussten, was ihr Geld machte und warum. Dass Myron Win hatte, verschaffte ihm einen erheblichen Vorsprung vor der Konkurrenz. Win war in der Finanzwelt nahezu eine Legende. Sein Ruf war makellos (wenn auch nur in der Finanzwelt) und seine Erfolgsgeschichte unübertroffen. Durch ihn hatte Myron immer einen Fuß in der Tür - er konnte in einer Branche glaubwürdig auftreten, in der Glaubwürdigkeit eine Seltenheit war.
Myron war der
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