Myron Bolitar 03 - Der Insider
Myron, obwohl ich es nicht gern tue. Im Namen der New Jersey Dragons heiße ich Sie, einen ausgezeichneten und couragierten Mann, im Team willkommen. Wir wünschen Ihnen nur das Beste. Wir wissen, dass Sie der Organisation der Dragons Ehre machen werden, ganz gleich, was auf dem Spielfeld geschieht.« Er hielt inne, presste die Lippen zusammen und stieß noch ein knappes »Danke« hervor.
Clip streckte Myron die Hand entgegen. Myron spielte seine Rolle. Er stand auf, um Clip die Hand zu schütteln. Doch Clip hatte andere Pläne. Er legte beide Arme um Myron und zog ihn an sich. Das Blitzlichtgewitter steigerte sich zum Strobos-kop. Als Clip ihn schließlich wieder losließ, wischte er sich mit zwei Fingern die Augen. Tss, der Mann stellte Pacino in den Schatten. Clip streckte den Arm aus und geleitete Myron zum Podium.
»Wie fühlen Sie sich bei Ihrem Comeback?«, rief ein Reporter.
»Eingeschüchtert«, erwiderte Myron.
»Glauben Sie wirklich, dass Sie in der Lage sind, auf diesem Niveau mitzuspielen?«
»Eigentlich nicht.«
Dieser Augenblick der Ehrlichkeit bremste sie für einen Moment. Aber nur einen Moment. Clip lachte, und alle Anwesenden stimmten ein. Sie hielten es für einen Witz. Myron machte sich nicht die Mühe, das Missverständnis aufzuklären.
»Glauben Sie, Sie haben noch die Reichweite für einen Dreipunktewurf?«, fragte ein anderer.
Myron nickte. »Die Reichweite für einen Wurf habe ich«, sagte er. »Ich weiß nur nicht, ob ich die Reichweite für einen Treffer habe.« Der Witz war geklaut, aber egal.
Weiteres Gelächter.
»Warum das späte Comeback, Myron? Was hat Sie dazu bewogen, jetzt zurückzukommen?«
»Das Medium im Nachtprogramm.«
Clip stand auf und wehrte weitere Fragen mit erhobener Hand ab. »Sorry, Leute, das war's für heute. Myron muss noch für das Spiel heute Abend eingekleidet werden.«
Myron folgte Clip nach draußen. Sie hasteten den Korridor entlang zu Clips Büro. Calvin erwartete sie schon. Clip schloss die Tür. Noch bevor er sich setzte, fragte er: »Und, was ist los?«
Myron berichtete von dem Blut im Keller. Clip wurde sichtlich blasser. Frostys Finger schlössen sich fester um die Armlehne.
»Also, worauf wollen Sie hinaus?«, fuhr Clip ihn an, als er zu Ende erzählt hatte.
»Worauf ich hinaus will?«
Clip zuckte gekünstelt die Achseln. »Ich versteh's nicht.«
»Da gibt's nichts zu verstehen«, sagte Myron. »Greg ist verschwunden. Seit fünf Tagen hat ihn niemand gesehen. Er hat weder seine Geldautomatenkarte noch seine Kreditkarte benutzt. Außerdem sind Blutflecken in seinem Keller.«
»Im Spielzimmer seiner Kinder, oder? Das haben Sie vorhin gesagt. Das Blut ist im Spielzimmer seiner Kinder.«
Myron nickte.
Clip sah Calvin fragend an und drehte dann die Handflächen nach oben. »Was zum Henker soll das bedeuten?«
»Ich weiß nicht.«
»Aber nach einem Verbrechen sieht's auch nicht unbedingt aus, oder?«, fuhr Clip fort. »Überlegen Sie doch mal, Myron. Wenn Greg zum Beispiel ermordet worden wäre, wo ist dann die Leiche? Der oder die Mörder müssten sie mitgenommen haben! Und was ist Ihrer Ansicht nach dann passiert? Die Mörder haben Greg - ja, was denn? Überrascht? Allein? Im Spielzimmer seiner Kinder, wo Greg vermutlich mit den Puppen gespielt hat? Und was dann? Sie haben ihn umgebracht und aus dem Haus geschleppt, ohne irgendwo Blutspuren zu hinterlassen, außer im Keller?« Clip spreizte die Finger. »Ist das plausibel?«
Das Szenario hatte Myron auch Kopfschmerzen bereitet. Er warf Calvin einen Seitenblick zu. Calvin schien tief in Gedanken versunken. Clip stand auf.
»Es kann genauso gut sein«, fuhr Clip fort, »dass sich eins von Gregs Kindern da unten beim Spielen geschnitten hat.«
»Muss ein ziemlich tiefer Schnitt gewesen sein«, sagte Myron.
»Oder Nasenbluten gekriegt. Mann, da läuft das Blut manchmal nur so raus. Aber vielleicht war es auch nur eine blutige Nase.«
Myron nickte. »Oder vielleicht haben sie da unten Hühner geschlachtet«, sagte er. »Wäre auch möglich.«
»Sarkasmus ist jetzt nicht angebracht, Myron.«
Myron wartete ein paar Takte. Er sah Calvin an. Nichts. Er warf Clip einen Blick zu. Nada. »Langsam wird das Ganze hier wieder etwas undurchsichtig.«
»Bitte?«
»Sie haben mich eingestellt, damit ich Greg suche. Ich habe eine wichtige Spur gefunden. Und jetzt wollen Sie nichts davon wissen.«
»Wenn Sie damit meinen, dass ich nicht hören will, dass Greg womöglich Opfer eines
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