Myron Bolitar 03 - Der Insider
nur und ließ die Hand sinken. »Insgesamt lässt das nur eine Schlussfolgerung zu: Du suchst Greg Downing. Er ist wieder verschwunden. Aber dieses Mal zu einem sehr viel kritischeren Zeitpunkt; die Playoffs und die Abstimmung der Eigner über den Manager stehen vor der Tür. Du sollst ihn finden.«
»Du hast aber auch eine blühende Fantasie, Audrey.«
»Stimmt, die habe ich«, gab sie zu, »trotzdem wissen wir beide, dass ich recht habe, also hören wir auf mit den Spielchen und kommen zur Sache: Ich will da mit rein.«
»Ich will da mit rein«, Myron schüttelte den Kopf. »Ihr Reporter und euer Jargon.«
»Ich will dich nicht rausdrängen«, fuhr sie fort. Sie hatte immer noch das Knie auf dem Sitz. Ihr Gesicht strahlte so erwartungsvoll wie das eines Schulkinds vor der Schlussglocke an einem schönen Maientag. »Wir sollten uns zusammentun. Ich kann dir helfen. Ich hab gute Quellen. Ich kann Fragen stellen, ohne dass ich mir Sorgen machen muss, deswegen aufzufliegen. Außerdem kenne ich das Team in- und auswendig.«
»Und was erwartest du als Gegenleistung für deine Hilfe?«
»Die ganze Geschichte. Ich bin die erste Reporterin, die erfährt, wo er ist und warum er verschwunden ist und so weiter. Du versprichst mir, dass du's keinem anderen erzählst. Ich kriege die Geschichte exklusiv.«
Sie kamen an diversen heruntergekommenen Motels und Tankstellen an der Route 4 vorbei. Die Stunden-Motels in New Jersey hatten immer hochtrabende Namen, die über ihren eigentlichen Zweck hinwegtäuschen sollten. So fuhren sie gerade am Courtesy hm vorbei. Dieses feine Etablissement wies nicht nur durch den Namen daraufhin, dass es für Gefälligkeiten zuhaben war, sondern unterstrich auf der Werbetafel noch, dass man diese schon für 19,82 Dollar pro Stunde genießen konnte. Nicht etwa für 20 Dollar, nein für 19,82 Dollar - ein Preis, der sich, wie Myron vermutete, von dem Jahr ableitete, in dem sie zuletzt die Laken gewechselt hatten. Das nächste Gebäude auf der rechten Seite war dann das CHEAP-BEER-DEPOT. Wahrheit in der Werbung. Ein seltener und damit um so schönerer Anblick. Da sollte sich das Courtesy Inn mal eine Scheibe von abschneiden.
»Du weißt genauso gut wie ich, dass ich sofort was daraus machen könnte«, sagte sie. »Die Story ist auch so ganz gut -Downing ist gar nicht verletzt, und du bist nur da, um ihn zu suchen. Aber ich bin bereit zu warten, bis ich eine noch bessere Story kriege.«
Myron überlegte, während er die Maut entrichtete. Er sah in ihr gespanntes Gesicht. Ihr Blick und ihre Frisur waren etwas wild, ein bisschen wie die Flüchtlingsfrauen im Film Exodus, als sie in Palästina vom Schiff kamen, bereit, um für ihr angestammtes Land zu kämpfen.
»Erst musst du mir was versprechen«, sagte er.
»Was?«
»Egal, was - ganz egal wie unglaublich die Geschichte klingt -, du wartest, bis es soweit ist. Du berichtest auf keinen Fall, bevor wir ihn gefunden haben.«
Audrey wäre fast aus dem Sitz gesprungen. »Was meinst du damit? Wie unglaublich?«
»Vergiss es, Audrey. Schreib einfach, was du willst.«
»Okay, okay, meinetwegen«, sagte sie schnell und hob die Hände. »Dir war doch wohl klar, dass so was meine Neugier anstacheln würde.«
»Versprichst du's?«
»Ja, ja, versprochen. Also was ist?«
Myron schüttelte den Kopf. »Du fängst an«, sagte er. »Warum könnte Greg verschwunden sein?«
»Weiß man's?«, antwortete sie. »Der Mann ist ein echter Profi-Spinner.«
»Was weißt du über seine Scheidung?«
»Nur dass da höllisch die Fetzen geflogen sind.«
»Und weiter?«
»Sie streiten sich um die Kinder. Beide versuchen zu beweisen, dass der andere als Elternteil ungeeignet ist.«
»Sind da irgendwelche Einzelheiten bekannt geworden?«
»Nein. Das läuft alles ziemlich verschwiegen ab.«
»Emily behauptet, Greg hätte ein paar miese Tricks abgezogen«, sagte Myron. »Weißt du irgendwas darüber?«
Audrey kaute eine Weile an ihrer Unterlippe. »Ich hab ein Gerücht gehört - dafür gab's aber nie irgendeine Bestätigung -, dass Greg einen Privatdetektiv angeheuert hat, der sie beschatten soll.«
»Wozu?«
»Weiß ich nicht.«
»Vielleicht um sie zu filmen? Damit er sie mit einem anderen Mann erwischt?«
Sie zuckte die Achseln. »Es war bloß ein Gerücht. Keine Ahnung.«
»Weißt du, wie der Detektiv heißt, oder für wen er arbeitet?«
»Das sind nur Gerüchte, Myron. Reine Gerüchte. Wenn sich ein Basketball-Profi scheiden lässt, sind das kaum
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